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====== Glück ====== | ====== Glück ====== | ||
- | A: as-sa‛āda. – E: happiness. – F: bonheur, félicité. – R: sčast’e. – S: felicidad. – C: xingfu | + | A: as-sa‛āda. – E: happiness. – F: bonheur, félicité. – R: sčast’e. – S: felicidad. – C: xingfu 幸福 |
Wolfgang Fritz Haug | Wolfgang Fritz Haug | ||
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- | »Der Glücksanspruch«, notiert Herbert Marcuse 1937, »hat einen gefährlichen Klang in einer Ordnung, die für die meisten Not, <!--[-->[[m:Mangel|Mangel]]<!--]--> und Mühe bringt.« (...) Für Heinrich Heine war er sogar eine revolutionäre <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->. In der »Welt-Revolution, dem großen Zweikampf der Besitzlosen mit der Aristokratie des Besitzes«, die er 1842, von Paris aus, kommen sieht, »wird weder von Nationalität noch von Religion die Rede sein: nur ein Vaterland wird es geben, nämlich die Erde, und nur //einen //[[g:Glauben]], nämlich das G auf Erden.« (...) – Doch die Anziehungskraft des G eignen sich auch die Ideologien der Legitimation von [[h:Herrschaft]] und der Vertröstung aufs [[j:Jenseits/Diesseits|Jenseits]] an. Auf diesseitige Weise tut dies die [[l:Liberalismus|liberale]] Ideologie der Entfesselung universeller [[k:Konkurrenz]] der ihrem privaten G nachjagenden Individuen. Sie übersetzt G herunter auf »›wellbeing‹ – that is, a notion of what makes an individual life go well« (Griffin 1998), oder kurz: »what enhances life« (...). | + | »Der Glücksanspruch«, notiert Herbert Marcuse 1937, »hat einen gefährlichen Klang in einer Ordnung, die für die meisten Not, <!--[-->[[m:Mangel|Mangel]]<!--]--> und Mühe bringt.« (...) Für Heinrich Heine war er sogar eine revolutionäre <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->. In der »Welt-Revolution, dem großen Zweikampf der Besitzlosen mit der Aristokratie des Besitzes«, die er 1842, von Paris aus, kommen sieht, »wird weder von Nationalität noch von Religion die Rede sein: nur ein Vaterland wird es geben, nämlich die Erde, und nur //einen// [[g:Glauben]], nämlich das G auf Erden.« (...) – Doch die Anziehungskraft des G eignen sich auch die Ideologien der Legitimation von [[h:Herrschaft]] und der Vertröstung aufs [[j:Jenseits/Diesseits|Jenseits]] an. Auf diesseitige Weise tut dies die [[l:Liberalismus|liberale]] Ideologie der Entfesselung universeller [[k:Konkurrenz]] der ihrem privaten G nachjagenden Individuen. Sie übersetzt G herunter auf »›wellbeing‹ – that is, a notion of what makes an individual life go well« (Griffin 1998), oder kurz: »what enhances life« (...). |
- | Wenige Begriffe sind daher durch [[a:Antagonismus|antagonistische]] Beanspruchung so aufgespalten wie G: in [[j:Jenseits/Diesseits|Diesseits und Jenseits]], irdisches G und Ewige Seligkeit, Solidarität und [[e:Egoismus]]. Die ›irdischen‹ Bedeutungen klaffen so weit auseinander wie die arbeitsteilige Klassengesellschaft selbst: Träume vom Schlaraffenland beim Volk, Diätetiken des Selbstgenusses und der Seelenruhe bei reichen Gebildeten. Stendhal erfuhr das G, »d’avoir pour métier sa passion« (...); als »Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen«, malte (der in seinem Metier passioniert tätige) Adorno es einmal aus (...). – In allen Ideologien und [[a:Antiideologie|Anti-Ideologien]] sowohl von Teilen der Herrschenden (Epikuräer) als auch des Volks und der kritischen [[i:Intellektuelle]]n, sind Begriffe vom G eingelassen. Im Deutschen trägt zur Aufnahmefähigkeit des Begriffs für antagonistische Bedeutungen bei, dass ›G‹ umfasst, was in anderen Sprachen in Zufalls-Erfolg (G im Spiel, //fortuna//) und erfülltes Lebensgefühl //(beatitudo, felicitas) //auseinandergelegt ist. Immer aber reichert sich die Idee des G »mit affektiven Resonanzen an« (...) und gehört zugleich der Reflexion, der [[e:Erfahrung]] und dem Traum an (Alfred Fouillé). | + | Wenige Begriffe sind daher durch [[a:Antagonismus|antagonistische]] Beanspruchung so aufgespalten wie G: in [[j:Jenseits/Diesseits|Diesseits und Jenseits]], irdisches G und Ewige Seligkeit, Solidarität und [[e:Egoismus]]. Die ›irdischen‹ Bedeutungen klaffen so weit auseinander wie die arbeitsteilige Klassengesellschaft selbst: Träume vom Schlaraffenland beim Volk, Diätetiken des Selbstgenusses und der Seelenruhe bei reichen Gebildeten. Stendhal erfuhr das G, »d’avoir pour métier sa passion« (...); als »Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen«, malte (der in seinem Metier passioniert tätige) Adorno es einmal aus (...). – In allen Ideologien und [[a:Antiideologie|Anti-Ideologien]] sowohl von Teilen der Herrschenden (Epikuräer) als auch des Volks und der kritischen [[i:Intellektuelle]]n, sind Begriffe vom G eingelassen. Im Deutschen trägt zur Aufnahmefähigkeit des Begriffs für antagonistische Bedeutungen bei, dass ›G‹ umfasst, was in anderen Sprachen in Zufalls-Erfolg (G im Spiel, //fortuna//) und erfülltes Lebensgefühl (//beatitudo//, //felicitas//) auseinandergelegt ist. Immer aber reichert sich die Idee des G »mit affektiven Resonanzen an« (...) und gehört zugleich der Reflexion, der [[e:Erfahrung]] und dem Traum an (Alfred Fouillé). |
- | ➫ [[a:Angst/Furcht]], [[a:Antiideologie]], [[a:Aufklärung]], [[b:Bedürfnis]], [[b:Befreiung]], [[b:Befriedigung]], [[d:Dummheit]], [[e:eingreifendes Denken]], [[e:Elend]], [[e:Ewigkeit]], [[f:falsche Bedürfnisse]], [[f:falsches Bewusstsein]], [[f:Freiheit]], [[f:Freude]], [[f:Frustration]], [[g:Gemeinschaft]], [[g:Genuss]], [[g:Geschlechterverhältnisse]], [[g:Geschlechtervertrag]], [[g:Gewohnheit]], [[g:Gleichheit]], [[g:griechische Antike]], [[g:Große Weigerung]], [[h:Hedonismus]], [[i:Ideologietheorie]], [[k:Klassenbewusstsein]], [[k:Krieg]], <!--[-->[[l:Lachen|Lachen]]<!--]-->, <!--[-->[[l:Liebe|Liebe]]<!--]-->, Lust, Materialismus, passive Revolution, Resignation, Schönheit, Unglück, Verrat, Warenästhetik, Weisheit, Zufall | + | ➫ [[a:Angst/Furcht]], [[a:Antiideologie]], [[a:Aufklärung]], [[b:Bedürfnis]], [[b:Befreiung]], [[b:Befriedigung]], [[d:Dummheit]], [[e:eingreifendes Denken]], [[e:Elend]], [[e:Ewigkeit]], [[f:falsche Bedürfnisse]], [[f:falsches Bewusstsein]], [[f:Freiheit]], [[f:Freude]], [[f:Frustration]], [[g:Gemeinschaft]], [[g:Genuss]], [[g:Geschlechterverhältnisse]], [[g:Geschlechtervertrag]], [[g:Gewohnheit]], [[g:Gleichheit]], [[g:griechische Antike]], [[g:Große Weigerung]], [[h:Hedonismus]], [[i:Ideologietheorie]], [[k:Klassenbewusstsein]], [[k:Krieg]], <!--[-->[[l:Lachen|Lachen]]<!--]-->, <!--[-->[[l:Liebe|Liebe]]<!--]-->, Materialismus, passive Revolution, Resignation, Schönheit, Unglück, Verrat, Warenästhetik, Weisheit, Zufall |