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- | Caliban (Anagramm von //canibal,// verwandt mit //carib,// »Karibik«) heißt die [[g:Gestalt]] des vom europäischen Herrn versklavten ›bösen‹ Wilden in Shakespeares //Sturm.// Der Name wurde umfunktioniert im Zeichen der Rückeroberung kultureller [[i:Identität]] aus kolonialer Degradation und imperialer Unterdrückung. Wie Aimé Césaires //Discours sur le colonialisme// (1950) oder Frantz Fanons //Les damnés de la terre// (1961) ist Roberto Fernández Retamars //Caliban// (1971) ein Manifest des [[a:Antikolonialismus]]. Der Essay macht Shakespeares Gestalt, Inbegriff der »entwürdigenden Darstellung, die der Kolonialherr von dem Kolonisierten gibt« (1971/1988), zum Ausgangspunkt einer subversiven Neuaneignung der lateinamerikanischen Geschichte und <!--[-->[[k:Kultur|Kultur]]<!--]-->. Schon von seiner ersten Reise brachte Kolumbus die Kunde von den »hundsköpfigen«, menschenfressenden »canibales« mit, die dem K Pate gestanden haben (Schiffstagebuch, 4.11.1492). Der durch den europäischen, später den US-amerikanischen [[k:Kolonialismus]] versklavte K verkörpert, »als ewig rebellische, unzähmbare Kraft« (Gewecke 1983), zugleich das Schreckbild des revolutionären Volkes, das Ernest Renan, die Pariser Kommune vor Augen, als Warnung vor der <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->ergreifung durchs ungebildete Mittelmaß ausgearbeitet hat; K triumphiert über den Aristokraten Prospero mit dem Schlachtruf: »Guerre aux livres! – A bas le latin!« (1878/1949) – Die seit den 1960er Jahren in Gang gekommene Umwertung des K ging weit über die Karibik, ja den amerikanischen Kontinent hinaus, um schließlich – mehr oder weniger nachhaltig – alle Orte an der Peripherie des transnationalen Kapitalismus zu erreichen. Fernández Retamar präsentierte eine kohärente Neulektüre von Shakespeares Metapher, die auf organische Weise mit den Wirklichkeiten und Interessen der lateinamerikanischen und karibischen Völker in ihrer Auseinandersetzung mit den Herrschenden verbunden ist. Der Text wurde rasch zum obligatorischen Bezugspunkt und stieß in den letzten 30 Jahren eine Vielzahl von Debatten an, auch außerhalb des amerikanischen Kontinents. | + | Caliban (Anagramm von //canibal//, verwandt mit //carib//, »Karibik«) heißt die [[g:Gestalt]] des vom europäischen Herrn versklavten ›bösen‹ Wilden in Shakespeares //Sturm.// Der Name wurde umfunktioniert im Zeichen der Rückeroberung kultureller [[i:Identität]] aus kolonialer Degradation und imperialer Unterdrückung. Wie Aimé Césaires //Discours sur le colonialisme// (1950) oder Frantz Fanons //Les damnés de la terre// (1961) ist Roberto Fernández Retamars //Caliban// (1971) ein Manifest des [[a:Antikolonialismus]]. Der Essay macht Shakespeares Gestalt, Inbegriff der »entwürdigenden Darstellung, die der Kolonialherr von dem Kolonisierten gibt« (1971/1988), zum Ausgangspunkt einer subversiven Neuaneignung der lateinamerikanischen Geschichte und <!--[-->[[k:Kultur|Kultur]]<!--]-->. Schon von seiner ersten Reise brachte Kolumbus die Kunde von den »hundsköpfigen«, menschenfressenden »canibales« mit, die dem K Pate gestanden haben (Schiffstagebuch, 4.11.1492). Der durch den europäischen, später den US-amerikanischen [[k:Kolonialismus]] versklavte K verkörpert, »als ewig rebellische, unzähmbare Kraft« (Gewecke 1983), zugleich das Schreckbild des revolutionären Volkes, das Ernest Renan, die Pariser Kommune vor Augen, als Warnung vor der <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->ergreifung durchs ungebildete Mittelmaß ausgearbeitet hat; K triumphiert über den Aristokraten Prospero mit dem Schlachtruf: »Guerre aux livres! – A bas le latin!« (1878/1949) – Die seit den 1960er Jahren in Gang gekommene Umwertung des K ging weit über die Karibik, ja den amerikanischen Kontinent hinaus, um schließlich – mehr oder weniger nachhaltig – alle Orte an der Peripherie des transnationalen Kapitalismus zu erreichen. Fernández Retamar präsentierte eine kohärente Neulektüre von Shakespeares <!--[-->[[m:Metapher|Metapher]]<!--]-->, die auf organische Weise mit den Wirklichkeiten und Interessen der lateinamerikanischen und karibischen Völker in ihrer Auseinandersetzung mit den Herrschenden verbunden ist. Der Text wurde rasch zum obligatorischen Bezugspunkt und stieß in den letzten 30 Jahren eine Vielzahl von Debatten an, auch außerhalb des amerikanischen Kontinents. |
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