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christian
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-1. Der [[b:Begriff]] Mutterrecht, von dem später das Wort Matriarchat abgeleitet wird, ist eine Erfindung des Juristen und Altertumsforschers Johann Jakob Bachofen (1815-87). Er konstruiert 1861 auf Grundlage einiger antiker Historiker (Herodot, Strabo, Heraklides u.a.), v.a. unter Auswertung der gesamten antiken Mythologie und unter Verweis auf neuere ethnographische Berichte das »Gemälde« (GW II, 18) der von ihm »Mutterrecht« genannten Kulturstufe (mit der [[m:Methode]] der Mytheninterpretation). Diese ist eingebettet in eine Geschichtskonstruktion, die mit einem stofflich-weiblichen bzw. »stofflich-mütterlichen« (36) Prinzip beginnt und einem »väterlich-geistigen« (54) endet, [[g:Geschichte]] mithin als Geschlechterkampf interpretiert. Das Mutterrecht ist dem Patriarchat entgegengesetzt, unter ihm herrschen die Mütter in der [[f:Familie]] und »in folgerichtiger Erweiterung auch in dem Staate« (142). Es sei infolge der »Gleichartigkeit und Gesetzmäßigkeit der menschlichen Natur« eine allgemeine Kulturstufe und nicht Eigenart einzelner Völker (11). Es gliedere sich selber in drei Phasen (36ff): 1. den Hetärismus, in dem, als dem Urzustand der [[m:Menschheit]], ein völlig ungeregeltes Geschlechtsleben herrsche; 2. das Amazonentum als Übergangsepoche, gekennzeichnet durch die Figur der »strengen Jungfrau« (50), die »kriegerische, männerfeindliche Heldengröße« (185) mit Ehefeindlichkeit (187) und gelegentlichem Hetärismus verbindet; 3. die eheliche Gynaikokratie, die das Amazonentum als »[[e:Entfremdung]]« von der »natürlichen [[b:Bestimmung/Determination|Bestimmung]]« der Frau und den Hetärismus als »regellose Überlassung an dieselbe« (100) durch »strengste eheliche Keuschheit« (102), Frömmigkeit und »untadelige Schönheit« (25) überwinde, wobei »Würde und Reinheit des Weibes« (40) mit dem »gebietenden, ernst waltenden Matronentum der Frau« (136) verbunden seien. Im gynaikokratischen Mutterrecht gehe die [[h:Herrschaft]] der Frau mit einer geschlechtlichen [[a:Arbeitsteilung]] einher, in der die Männer ausziehen, um Beute zu machen. »Die Weiber aber bleiben zu Hause, hüten die [[k:Kinder/Kindheit|Kinder]], warten des Viehs.« (137)+1. Der [[b:Begriff]] Mutterrecht, von dem später das Wort Matriarchat abgeleitet wird, ist eine Erfindung des Juristen und Altertumsforschers Johann Jakob Bachofen (1815-87). Er konstruiert 1861 auf Grundlage einiger antiker Historiker (Herodot, Strabo, Heraklides u.a.), v.a. unter Auswertung der gesamten antiken Mythologie und unter Verweis auf neuere ethnographische Berichte das »Gemälde« (GW II, 18) der von ihm »Mutterrecht« genannten Kulturstufe (mit der [[m:Methode]] der Mytheninterpretation). Diese ist eingebettet in eine Geschichtskonstruktion, die mit einem stofflich-weiblichen bzw. »stofflich-mütterlichen« (36) Prinzip beginnt und einem »väterlich-geistigen« (54) endet, [[g:Geschichte]] mithin als Geschlechterkampf interpretiert. Das Mutterrecht ist dem Patriarchat entgegengesetzt, unter ihm herrschen die Mütter in der [[f:Familie]] und »in folgerichtiger Erweiterung auch in dem Staate« (142). Es sei infolge der »Gleichartigkeit und Gesetzmäßigkeit der menschlichen Natur« eine allgemeine Kulturstufe und nicht Eigenart einzelner Völker (11). Es gliedere sich selber in drei Phasen (36ff): 1. den Hetärismus, in dem, als dem Urzustand der [[m:Menschheit]], ein völlig ungeregeltes Geschlechtsleben herrsche; 2. das Amazonentum als Übergangsepoche, gekennzeichnet durch die Figur der »strengen Jungfrau« (50), die »kriegerische, männerfeindliche Heldengröße« (185) mit Ehefeindlichkeit (187) und gelegentlichem Hetärismus verbindet; 3. die eheliche Gynaikokratie, die das Amazonentum als »[[e:Entfremdung]]« von der »natürlichen Bestimmung« der Frau und den Hetärismus als »regellose Überlassung an dieselbe« (100) durch »strengste eheliche Keuschheit« (102), Frömmigkeit und »untadelige Schönheit« (25) überwinde, wobei »Würde und Reinheit des Weibes« (40) mit dem »gebietenden, ernst waltenden Matronentum der Frau« (136) verbunden seien. Im gynaikokratischen Mutterrecht gehe die [[h:Herrschaft]] der Frau mit einer geschlechtlichen [[a:Arbeitsteilung]] einher, in der die Männer ausziehen, um Beute zu machen. »Die Weiber aber bleiben zu Hause, hüten die [[k:Kinder/Kindheit|Kinder]], warten des Viehs.« (137)
  
 [[g:Gesellschaft|Gesellschaften]] mit Mutterrecht im Sinne Bachofens haben sich nicht nachweisen lassen. Was es gab und teilweise auch im 21. Jh. gibt, sind Gesellschaften mit 1. Matrilinearität (Bestimmung der Abstammung durch die Mutter); 2. matrilinearer Erbfolge; 3. Matrilokalität (Bestimmung der Residenz eines Ehepaares nach der Frau); 4. anderer und höherer Bewertung der Stellung der Frau im Produktionsprozess; 5. größerer Beteiligung der Frau an allgemeinen und individuellen Entscheidungen; 6. größerer sexueller Selbstbestimmung der Frau als in patriarchalen Verhältnissen. Es lässt sich eine Vielzahl von Mischungen und anderen Kompromissen zwischen matrilinearen usw. und patriarchalen Strukturen nachweisen. [[g:Gesellschaft|Gesellschaften]] mit Mutterrecht im Sinne Bachofens haben sich nicht nachweisen lassen. Was es gab und teilweise auch im 21. Jh. gibt, sind Gesellschaften mit 1. Matrilinearität (Bestimmung der Abstammung durch die Mutter); 2. matrilinearer Erbfolge; 3. Matrilokalität (Bestimmung der Residenz eines Ehepaares nach der Frau); 4. anderer und höherer Bewertung der Stellung der Frau im Produktionsprozess; 5. größerer Beteiligung der Frau an allgemeinen und individuellen Entscheidungen; 6. größerer sexueller Selbstbestimmung der Frau als in patriarchalen Verhältnissen. Es lässt sich eine Vielzahl von Mischungen und anderen Kompromissen zwischen matrilinearen usw. und patriarchalen Strukturen nachweisen.
  
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m/matriarchat_mutterrecht.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/11 13:51 von christian     Nach oben
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