Gewissen

A: aḍ-ḍamīr. – E: conscience. – F: conscience morale. – R: sovest’. – S: conciencia. – C: liang xin 良心

Jan Rehmann, Tilman Reitz

HKWM 5, 2001, Spalten 736-753

G ist die v.a. durch Martin Luther eingeführte und verbreitete nhdt. Übersetzung des lat. conscientia und des griech. συνείδησις, die beide die Grundbedeutung des »Mitwissens« haben. Gemäß dieser Herkunft oszilliert der Begriff zwischen Bewusstsein/Selbstbewusstsein und moralischer oder religiöser Selbstkontrolle. Aber während das franz. conscience noch beide Aspekte zusammenhält, ist z.B. im Deutschen und im Englischen eine engere moralische Bedeutung in den Vordergrund getreten, bei der der antike Zusammenhang weitgehend verlorengegangen ist (G vs. Wissen, conscience vs. consciousness). Gegenüber einer moralfixierten Engführung, die die »Stimme des G« von der Analyse der gesellschaftlichen Situation ablöst, kommt es in der Perspektive emanzipierten Handelns darauf an, die Kompetenzen des Wissens und der Analyse mit denen der ethischen Reflexion über die Berechtigung des eigenen Tuns kohärent zu verbinden. Eine marxistische Behandlung des G muss seine widersprüchliche Funktion in den gesellschaftlichen Kämpfen berücksichtigen: im G kann sich die Resistenz der einzelnen gegen die Ansprüche der Herrschaft geltend machen, es kann aber auch als verselbständigte Instanz wirken, die die Herrschaft im Subjekt vertritt.

Angst/Furcht, Bewußtheit, Bewußtsein, Disziplin, Emanzipation, Ethik, Existenzialismus, Faschisierung, Freudomarxismus, Gerechtigkeit, Handlungsfähigkeit, Himmel/Hölle, Ideologietheorie, Klassenherrschaft, Legalität/Legitimität, Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Metapher, Moral, Normen, Prinzipien, Psychoanalyse, Reflexion, Relativismus, Ressentiment, Sein/Bewusstsein, Selbstbestimmung, Subjekt, Subjekt-Effekt, Verantwortung, Verhalten, Werte, Wille, Wissen

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