Meinungsfreiheit

A: ḥurrīyat ar-ra’i. – E: freedom of opinion. – F: liberté d’opinion. – R: svoboda mnenij. – S: libertad de opinión. – C: yánlùn zìyóu 言论自由

Silke Wittich-Neven

HKWM 9/I, 2018, Spalten 462-481

M als Freiheit, sich sowohl eine Meinung zu bilden als auch zu äußern, und die dazu komplementäre Informationsfreiheit gehören ebenso wie die Presse-, Film-, Rundfunk-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit, die Religions- und Gewissensfreiheit zu den bürgerlichen Freiheitsrechten; hinzu kommt das Petitionsrecht, das individuell oder kollektiv ausgeübt werden kann. Sie müssen vor dem Hintergrund ökonomischer und sozialer Ungleichheiten, in Herrschaftsverhältnissen allgemein und in Geschlechterverhältnissen im Besonderen gesehen werden. M ist von der konkreten gesellschaftlichen Lage abhängig und beinhaltet die Möglichkeit, diese Lage zu verändern, den Streit um Selbstbehauptung und darüber hinaus um Hegemonie aufzunehmen.

Dieser Möglichkeit der Selbst- und gesellschaftlichen Veränderung wird durch umfangreiche Einschränkungen begegnet, an denen die reale Bedeutung der M sich jeweils ablesen lässt. Umfang und Ausmaß von Einschränkungen der M durch repressive Maßnahmen hängen auch davon ab, inwieweit die Meinungsäußerung real oder mutmaßlich wirkungsmächtig ist, die individuelle M eher weniger als die kollektive, die im Privatgespräch geäußerte weniger als die veröffentlichte Meinung. Mit der M wird sowohl die persönliche Entfaltung als auch ihre Bedeutung für den demokratischen Prozess geschützt.

Die Bürger errangen die genannten Rechte im Kampf um die politische Herrschaft gegen den Feudaladel. Nach ihrem Sieg wurden sie rhetorisch hochgehalten, zugleich den Gegnern aber oftmals de facto vorenthalten. So konnten die Bürger an der Macht, nicht anders als die Kirche, zu einem Faktor der Bedrohung der M werden. Für das sozialistische Projekt wurde mit Rosa Luxemburg die »Freiheit der Andersdenkenden« (GW 4, 359, Fn. 3) zum Inbegriff von Sozialismus selbst. Die im Ausdruck Meinung noch mitschwingende bloß private Bedeutung wurde praktisch aufgehoben, indem die lernenden, sich schulenden, experimentierenden Menschen als kollektive Träger dieser Freiheiten aufgefasst wurden.

Arbeiterumfrage, Aufklärung, Bürgerrechte, Demokratie, Demokratie/Diktatur des Proletariats, Faschismus, feministische Rechtskritik, Freiheit, Gegenöffentlichkeit, Geschlechterverhältnisse, Glasnost, Grundrechte, Information, Ironie, Karikatur, Ketzer, Kommunikation, Kritik, Liberalismus, Linie Luxemburg-Gramsci, Lüge, Manipulation, Massenkommunikation, Medienimperialismus, Meinung, Menschenrechte, öffentliche Meinung, Öffentlichkeit, Orthodoxie, Parodie, Perestrojka, Pluralismus, Polemik, Pressefreiheit, Propaganda/Agitation, Rasse/Klasse/Geschlecht, Rechtsstaat, Satire, Suffragetten, Totalitarismus, Wahrheit, Werbung, Zensur

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