30. Mai bis 2. Juni 2013
Dreißig Jahre Wörterbuchprojekt (1983-2013)
"Historisch-kritischer Marxismus"?
Notizen zur Einleitung der InkriT-Tagung von 2013
1. Zur gesellschaftlichen Reaktualisierung von Marx im Prozess der Großen Krise
003 hatten wir zum ersten Mal die >Krise< im Dachthema der Tagung. Es lautete > Krisen / Kriege / Klassenkämpfe<. Das war dem Alphabet geschuldet, das uns Wörterbuchmachern diese Begriffe auf die Tagesordnung setzte und wir in der Regel versuchen, das Generalthema mit der Arbeit an jeweils zentralen Artikeln abzustimmen – so wie diesmal mit dem Marxismus-Komplex, der in Band 8/II zum Zuge kommt. 2006 und 2007 häuften sich die Bankenzusammenbrüche in den USA. Doch Spekulation und Konjunktur liefen noch immer überschäumend. Bis am 15. September 2008 die Lehman Bank zusammenbrach, was Eric Hobsbawm 2009 mit dem Satz kommentierte, dieser Tag werde >den Lauf der Geschichte mehr verändern als der 11. September, als die Türme des World Trade Centers zusammenbrachen<.
Im Frühjahr 2009, im Moment des Umschlags der von den USA austrahlenden Finanzkrise in eine Welt-Wirtschaftskrise, als wir zu Beginn der 14. InkriT-Tagung den 50. Geburtstag der Zeitschrift Das Argument feierten, lautete das InkriT-Thema >Metamorphosen und Perspektiven der kritischen Intellektuellen im Zeichen der Krise des Weltkapitalismus<. Jetzt war die Krise aus dem ABC in die Wirklichkeit gewandert. Ihr Fortgang belehrte uns schließlich, von der >Großen Krise< zu sprechen.
Unter >Großer< im Unterschied zu >konjunktureller Krise< können wir mit Elmar Altvater eine >strukturelle< oder >Formkrise< des Kapitalismus verstehen (1983, 94)1, die als solche nie nur eine ökonomische, sondern immer auch eine gesellschaftliche Krise ist und die Formen stört, >in denen sich Hegemonie reproduziert<; sie leitet einen umfassenden Restrukturierungsprozess ein, der >alle gesellschaftlichen Bereiche, das Insgesamt von Politik und Ökonomie und infolgedessen die Strukturen kapitalistischer Vergesellschaftung< betrifft (97).
Die gesellschaftliche Wahrnehmung unseres Erzautors Marx verschob sich. Zunächst trieb das sonderbare Blüten. >Karl Marx ist der Dichter unserer Krise< betitelte die FAZ vom 28. Oktober 2008 ein Interviews mit Alexander Kluge, das die erste Seite des Feuilletons füllte. Anlass das Erscheinen einer DVD-Box von Kluge, Nachrichten aus der ideologischen Antike. Die Dramatik der Krise von 1929 >wiederholt sich offensichtlich gerade<. Kluge, der das sagte, schien zu schwanken, denn zugleich erklärte er Marx für >längst historisiert. Er ist nicht gegenwärtig.< In Europa liege er, >durch die Protestbewegung und den orthodoxen Marxismus, wie unter 25 Meter Lava begraben<.
Vier Jahre später las es sich im Handelsblatt 2012 ernsthafter: >Marx ist der Subtext zur Dauerkrise<, ja der >letzte unwiderlegte Klassiker<, da >die Kritik an den Fehlleistungen der Ökonomen-Zunft vor der Krise ihn nicht trifft, nahezu alle anderen aber ramponiert< (Handelsblatt, Nr. 198, 2012, 54). – In Esslingen hat 2013 laut meinem Buchhändler die Deutsche Bank ein Exemplar des Kapital von Marx angeschafft, weil die Mitarbeiter nur von Marx lernen könnten, wie Kapitalismus wirklich funktioniert.
Soviel zu Marx.
2. Aber was ist mit Marxismus?
Einige werden den Artikel aus der jungen Welt kennen, in dem Frigga Haugs HKWM-Eintrag >Linie Luxemburg-Gramsci< einer marxistisch-leninistischen Inquisition unterworfen wird. >Linie< wird hier im Sinne der unter Stalin ausgeprägten Kaderpartei verstanden. Sie meint die rote Linie, deren Überschreitung den Ausschluss bedeutet. Friggas Artikel erkundet die Orientierungen Rosa Luxemburgs und Antonio Gramscis, die Peter Weiss im Sinn hatte, als er den Ausdruck >Linie Luxemburg-Gramsci< in seinem Arbeitstagebuch notierte, um den politischen Horizont seiner Ästhetik des Widerstands zu bezeichnen.
Da war nun also das Historisch-kritische Wörterbuch des Marxismus ein Parteianalogon, dem eine eigene Ideologie namens >historisch-kritischer Marxismus< zugeordnet und verdammt wurde – nebenbei: ohne eine Erwiderung aus dem Kreis der Redaktion zuzulassen.
Probe aufs Gegenteil: was wäre wohl ein unhistorischer und unkritischer Marxismus? Doch das war nicht gemeint, sondern Anstoß erregte die Verpflichtung auf einen Marxismus, der seine eigene Geschichte historisch-kritisch aufarbeitet. Wir könnten auch sagen: ein Marxismus, der die historisch-materialistische und dialektische Herangehensweise auch auf sich selbst bezieht.
Ja, allerdings, dafür steht unser Projekt. So schrieb ich 1983 im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Georges Labicas Dictionnaire critique du marxisme, dessen Titel kündige etwas in der Geschichte des Marxismus ebenso Neues wie dringend Gebrauchtes an: >Dass ein historisches Verhältnis zu den eigenen Begriffen und ein kritisches Verhältnis zur eigenen Geschichte eine Selbstverständlichkeit werde.< Um die Epoche machende Bedeutung dieses Anspruchs deutlich zu machen, zitiere ich Klaus Holzkamps kühnen Satz aus AS 100: >Die Vorgeschichte des Marxismus ist noch nicht zu Ende.< – Er spielt an auf den marxschen Satz, mit der Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsformation schließe >die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab< (13/9). – Und dann ziehe ich – immer noch in jenem Vorwort vom Sommer 1983 – den Vergleich zu jenem anderen Einschnitt, der mit dem Übergang von der Vorgeschichte zur Geschichte nun nicht der endlich menschlichen, sprich klassenlossen, sondern der bürgerlichen Gesellschaft verbunden war >und den […] Pierre Bayle mit der Veröffentlichung seines Historisch-kritischen Wörterbuchs beförderte< und damit >der Aufklärung […] entscheidend vorgearbeitet< und den Weg für Diderots Enzyklopädie gebahnt hat.
Als ich dies schrieb, hatten wir noch ein bis zwei Ergänzungsbände zu Labicas Kritischem Wörterbuch des Marxismus im Sinn. Doch zwei Jahre später wurden die Weichen in der SU in Richtung Umbau (>Perestrojka<) umgestellt, was binnen weniger Jahr in den Zusammenbruch des europäischen Staatssozialismus mündete. Das Ende der Vorgeschichte des Marxismus erschien der Welt damals als das Ende seiner Geschichte. Wir aber traten auf im Kostüm Don Quijotes, an den Hoffnungen und Ansprüchen des anscheinend Vergangenen festhaltend. Niemand erhob mehr Besitzansprüche auf den Marxismus. Jetzt erst wählten wir den Namen Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus für unser Projekt. Und einige derer, die uns dereinst wegen der Rede vom Pluralen Marxismus ausgegrenzt hatten, klagten unter Berufung auf diesen programmatischen Begriff jetzt für ihre Ansichten das Bürgerrecht im HKWM ein.
Der komisch redundante Name >historisch-kritischer Marxismus< hat also sein Körnchen Richtigkeit. Denn Haltungen, die der Vorgeschichte des Marxismus angehören, haben nur noch als historisch-kritisch behandelte ein Recht in der Geschichte des Marxismus. Man kann kein Marxist mehr sein, wenn man sich nicht marxistisch zu sich selbst verhält.
Dass das als Stachel gespürt und bekämpft wird, ist nun aber auch ein Indiz für die neue Aktualität von Marx.
Die Idylle der Irrelevanz neigt sich dem Ende zu.
3. Sprachschranken
Die Begriffsverbindung >historisch-kritisch<, die als Formel jahrhundertelang in der Editionstechnik ihr Dasein gefristet hat, verlangt auch einen entsprechenden Umgang mit den Quellen. Hier stößt die fürs HKWM wesentliche internationale Zusammenarbeit auf ein Problem.
Long, long ago, da war die Hauptsprache des modernen Sozialismus der ganzen Welt das Deutsche. Noch die Tagungssprache der III. (der kommunistischen) Internationale in Moskau war in den ersten Jahren Deutsch. Selbst Stalin wurde von Lenin gezwungen, deutsch zu reden.
Es ist ein Problem für den wissenschaftlichen oder theoretischen Marxismus, dass seine klassischen Texte auf Deutsch vorliegen, während viele des Deutschen nicht mächtige marxistische Intellektuelle glauben, sie könnten Marx aus den Übersetzungen studieren.
Hier liegt auch unser Problem mit manchen Beiträgen zum HKWM. Die Redakteure wissen ein Lied davon zu singen.
4. Welcher Kapitalismus?
Wenn man nach dem Marxismus angesichts der Großen Krise fragt, ist ein anderes Problem nicht weniger brennend. Ich meine die Frage, was das für ein Kapitalismus ist, der da in seine Große Krise geraten ist.
Blicken wir zurück auf die Große Krise von 1929ff. Damals war es der Gefangene Gramsci, der die Große Krise seiner Zeit als die des Fordismus (des fordistischen Kapitalismus) analysierte, – ein Kontext, in den er auch den Faschismus und den heraufziehenden Stalinismus stellte.
In der deutschen Linken brauchte der Begriff des Fordismus danach ziemlich genau ein halbes Jahrhundert, bevor er zu einem Thema wurde – er wurde es, als der wirkliche Fordismus in seine Endkrise eingetreten war. O Eule der Minerva...!
Und heute? Heute bringt es der linke Mainstream noch immer nicht über Konzepte wie Postfordismus oder Superfordismus hinaus. Evidenz zieht er aus den mit >Billigarbeit< betriebenen Montageketten für die trendigen Hightech-Produkte im chinesischen Shenzen oder der Textilindustrie in Pakistan. Doch diese Beispiele verdecken den Blick aufs epochal dominante transnationale Kapital, das jenen Betrieben ihre subalterne Stellung zu weist und die Bedingungen für die Arbeitenden an den Rand des Existenzminimums drückt – wie einst die von Marx im Kapital analysierte Große Industrie die Arbeits- und Lebensbedingungen in den noch vorindustriellen Manufakturen.
Also: Was ist da in Krise geraten? Offenbar ein Kapitalismus, dessen globale Allokation, überhaupt dessen Bedingungen und Akteure die Hochtechnologie mit dem Computer als Leitproduktivkraft umgewälzt hat.
Ferner: Wie erklärt sich die spektakuläre Rolle des Finanzkapitals und seines seit den Zeiten des Fordismus explosiv gewachsenen Überbaus von fiktivem Kapital? Diese Phänomene erklären nichts, sondern sind zu erklären.
Der radikale Wandel in Struktur und Superstrukturen des Kapitalismus, ja in der Mentalität und der allgemeinen Kultur wird oftmals eher von Nichtmarxisten analysiert – dann aber zumeist durch ideologische Brillen wie der der Wissensgesellschaft mit vermeintlich immaterialisierter Ökonomie.
Die Frage nach der Dialektik von hochtechnologischen Produktivkräften und transnationalen Produktionsverhältnissen aber ist auf der Linken weithin vom Interesse für den Finanzkapitalismus der Gegenwart verdrängt worden.
Lebendiger Marxismus erweist sich heute daran, wie er diese Krise analysiert und welche praktischen Konsequenzen er daraus ableitet. Mögen die Vorträge und die Diskussionen – einschließlich der Pausendiskussionen – zum fälligen Auf-den-geschichtlichen-Tag-Bringen beitragen, für das die Italiener das Wort aggiornamento haben. Wohlan denn, begeben wir uns an die Arbeit!
Wolfgang Fritz Haug
1 In: Aktualisierung Marx’, Argument-Sonderband AS 100, 1983, 94.
Der Geist weht wo er will
Eindrücke von der XVII. Internationalen Tagung des InkriT (29. Mai bis 1. Juni 2013) von Prof. Dr. Nora Räthzel (Umeå/Schweden)
Alljährlich gönne ich mir das Vergnügen an der INKRIT Tagung zum Kritisch-Historischen Wörterbuch des Marxismus teilzunehmen. Obwohl die Tagung nicht mehr Pfingsten stattfindet, gleichen ihre Werkstätten doch einem aus der gewöhnlichen Zeit entlassenem Augenblick, in dem alle miteinander reden können, obgleich sie in verschiedenen Zungen sprechen. Da treffen sich (feministische und nicht feministische) Marxistinnen und Marxisten (und andere, die überlegen, ob sie es werden wollen) verschiedenster Erfahrungen und Auffassungen, reden, denken, und debattieren miteinander, als hinge das Leben davon ab, wie man einen Begriff am besten darstellt, so dass alle, selbst noch die nachgeborenen, einen Nutzen davon haben.
Da finden sich berühmte, weise Männer (auch einige Frauen, noch zu wenige) aus allen erwarteten und auch aus nicht erwarteten Disziplinen, wie etwa Theologie oder Kunst, neben jungen Studierenden, die zum ersten Mal gekommen sind, neugierig, gierig nach Wissen, das an den wenigsten Universitäten noch angeboten wird. Viele studieren marxistische Theorie nebenbei und wollen nun diesen Ort Nutzen, ihr Wissen auszuprobieren, oder Ratschläge zu erhalten. So fragte mich jemand, ob ich ihr helfen könne, Solidarität zu verstehen. Sie schreibe über Garcia Lorca, der doch als solidarisch gelte mit den Armen und doch stelle er Schwarze exotisierend dar. Ein anderer möchte ein paar Vorschläge haben, welche Bücher er seiner Freundin als Einführung in den Feminismus schenken könnte. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sitzen neben Professoren und Professorinnen und was sie zusammenbringt ist der Geist des Widerstandes, die Lust am Denken, Verstehen und Verändern.
Die Werkstätten sind der Kern der Tagung. Dort stellen Autorinnen und Autoren ihr jeweiliges Stichwort vor, mindestens vier, oft sechs Leserinnen und Leser haben sich vorher verpflichtet, sie zu votieren. Nachdem das Stichwort vorgestellt ist, prasseln auf die Schreibenden die unterschiedlichsten Ideen ein: einige schlagen Erweiterungen vor, andere wollen das Stichwort gänzlich anders dargestellt haben, wieder andere beginnen eine allgemeine Diskussion über das Thema, formulieren die Gedanken, die sie schon lange einmal mit einer Gruppe dieser Art, in der kenntnisreiche und engagierte Menschen ihr Wissen zur Verfügung stellen, diskutieren wollten. Jedes Stichwort bekommt 1 ½ Stunden, da ist viel Raum für Gedankenaustausch. Allerdings, nicht immer sind die Autoren glücklich über die Gedankenfülle. Einige, die Königstiger, wie ich sie nennen möchte, gewohnt, dass man ihnen lauscht, vielleicht zuweilen widerspricht, aber keineswegs vorschlägt, wie sie ihren Text verändern könnten, zeigen sich zutiefst beleidigt. Wie kann man ihm, dem Vertreter der wichtigsten theoretischen Strömung der Welt, Vorschriften machen? Der Geist weht halt nicht immer dort wo einer meint, ihn ein für alle mal für sich gepachtet zu haben. Aber zurück zum vergnüglichen (obwohl es auch etwas Vergnügliches hat, so einem Königstiger bei der Verteidigung seines Reviers zuzusehen): nirgends sonst lerne ich so viel über Fragen, die mich umtreiben, zu denen ich mich sachkundig machen will, die aber im Räderwerk des Alltags untergehen, oder auch zu Fragen, von denen ich nie geglaubt habe, dass sie mich interessieren könnten: diesmal erfuhr ich wie unterschiedlich marxistische Ökonomen die Krise erklären, handelt es sich nun um den Fall der Profitrate, oder um eine Explosion, um einen außer Rand und Band geratenen Dämon, den auch die Hexenmeister nicht mehr kontrollieren können? Ich hörte, wie die Krise das politische und ökonomische System der EU destabilisiert, ob und wie sie sich langfristig würde lösen können, wurde überlegt: gibt es in Zukunft das „Traumpaar“ China- Deutschland? Der Zusammenhang mit der Krise der Natur und der Arbeit, wurde deutlich und die These, man müsse das Management als eigene Klasse definieren, war heiß umkämpft.
In einer Werkstatt diskutierten wir, woher eigentlich die links/rechts Begrifflichkeit stammt, wie spät sie sich als Selbstbezeichnung durchsetzte, wie Marx und Engels (höchst selten) sie benutzen. In einer anderen bezweifelten wir (wieder einmal), ob man wirklich von weiblicher Macht sprechen kann, wenn sie sich auf den Haushalt begrenzt; es hagelte Vorschläge, welche Ethnologinnen heranzuziehen sein, die das Matriarchat und Matrilinearität schon komplexer und widersprüchlicher analysiert hätten. Der Begriff Machismo setzte eine wahre Flut von Ideen frei: wie dieser aus dem lateinamerikanischem Alltag und feministischem Kampf stammende Begriff in Europa vorkommt, ja, in der ganzen Welt, wie die Filmindustrie ihn reproduziert, wie er vulgärpsychologisch erklärt wird, wie er sich verknüpft mit seinem Gegenbegriff, dem Marianismo. Dient das Bild der Jungfrau Maria nur der Stabilisierung patriarchaler Verhältnisse oder können Frauen es auch für sich als Widerstandspotential konstruieren? Wie sieht die Marienverehrung in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern aus und wie ist sie in manchen mit den indigenen Glaubensformen verschmolzen? wie Theologen und Theologinnen mit marxistischer und feministischer Perspektive erzählten von der Vielschichtigkeit der religiösen Bilder und deren widersprüchliche Eingliederung in Diskurse des Widerstandes und der Repression. Ist der Macho eine subordinierte Männlichkeit und wie verhält sich die Benutzung des Begriffs zum Rassismus gegen eingewanderte Gruppen in den USA und Europa?
Diese wahrhaft demokratische Tagung, in der alle jeden und jede herausfordern („den Finger auf jeden Posten legen und fragen, wie kommt er dahin“) kennt auch ihre Stars. Diesmal kamen sie aus vielen Ländern, John Bellamy Foster aus den USA, Gérard Duménil aus Frankreich, Guglielmo Carchedi aus den Niederlanden und Italien, Gabriele Dietrich aus Indien und, der Star der Stars, Pablo Gonzales Casanova, Grand Old Man der Sozialwissenschaften und der sozialistischen Bewegungen Mexicos und Lateinamerikas. Er ließ uns teilnehmen an Ereignissen seiner Lebensgeschichte: als er zu den Zapatistas eingeladen wurde und von ihnen lernte, wie friedlicher Widerstand demokratisch über lange Zeit organisiert werden kann, wie die Frauen in zentralen militärischen Positionen unter der Trennung von ihren Familien leiden ebenso wie die Männer, wie sie Städte, die sie schon einmal militärisch erobert hatten, nun zu tausenden aufs neue, friedlich eroberten, zu zeigen, dass sie nach wie vor da sind und ihre Gemeinden leiten, Schulen, Krankenversorgung und soziale Sicherheit garantierend; wie seine Frau, einst einen jungen Mann namens Ernesto Guevara zum Abendessen einlud und er ihr danach sagte, wenn Du wieder mal einen Argentinier einladen willst, dann bitte nicht so einen verrückten; wie er dies später, in Kuba, dem Che erzählte und dieser lachend antwortete, dieses Urteil hätte er damals schon bemerkt.
Was Pablo Gonzales zum für mich eindrucksvollsten „Star“ dieser Tagung machte, war die völlige Abwesenheit von Starverhalten. Da kam ein weit geachteter und viel dekorierter Wissenschaftler, und wir erlebten einen Mann, der sich für alle interessierte, überall nachfragte, bis nachts um eins an der Verbesserung seines Textes saß und dessen Humor und Wärme vergessen ließen, wie berühmt und auch wie alt er ist. Ich freue mich auf nächstes Jahr, auf vier Tage intensives Denken, Diskutieren, Lernen, oder einfach Schwätzen und auf die diejenigen, die dies seit 30 Jahren möglich machen, Wolf und Frigga Haug, Herz und Kopf dieses aus der Zeit gefallenen und gerade deshalb in die Zeit führenden Projekts. Und Dank auch an Thomas Pappritz, Oliver Walkenhorst, Christian Wille, die es schafften, überall gleichzeitig zu sein und nicht nur das Drucken von Texten in letzter Minute zu ermöglichen, sondern auch das Denken über diese Texte zu verbessern und dabei so freundlich waren, als sei all dies ein reiner Spaß für sie.
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Foto: Ulrich Meckler
von links nach rechts: Peter Strotmann, Anne Rohner, Jan Loheit, Manfred Bürger, David Schäper, Hans-Jörg Tuguntke, Heide Mohr, Andreas Umgelter, Klaus Müller, Peter Jehle, Gabriele Dietrich, Marko Ampuja; im Vordergrund rechts Kuno Füssel - Foto: Ulrich Meckler
von links nach rechts: Peter Strotmann, Anne Rohner, Gabriele Dietrich, José Pacheco; vordere Stirnseite: Bernd Belina, Petra Fichtner, Juha Koivisto, Guglielmo Carchedi, Kuno Füssel, Lutz Brangsch, Dick Boer, Kamil Uludag, Ruth May, Wolfgang Küttler, Jutta Meyer-Siebert, Werner Goldschmidt, Brigitte Ostmeyer, Fred Lorenzen, Derek Weber; hintere Stirnseite: Victor Wallis, Inez Hedges, Thomas Pappritz, Klaus Gramlich, Christian Wille, Nikolaus Dimmel, Michael Flörsheimer, Bernd Röttger, Heinz-Jürgen Krug, Ruedi Graf - Foto: Ulrich Meckler
Hartmut Neuendorff, Wolfram Adolphi, Wolf Haug - Foto: Ulrich Meckler
Gérard Duménil - Foto: Ulrich Meckler
Foto: Ulrich Meckler
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John Bellamy Foster - Foto: Ulrich Meckler
Wolfgang Küttler - Foto: Ulrich Meckler
v.l.n.r.: Sophia Zender, Peter Strotmann, Anne Rohner - Foto: Ulrich Meckler
v.l.n.r.: Lutz-Dieter Behrendt, Wolfram Adolphi, Rolf Czeskleba-Dupont, Pablo Gonzalez Casanova, Nora Räthzel - Foto: Ulrich Meckler
Sophia Zender, Katharina Volk - Foto: Ulrich Meckler
Jannis Chasoglu, John Bellamy Foster, Jannis Kompsopoulos, Alp Kayserilioglu - Foto: Ulrich Meckler
Gabriele Dietrich, Ruth May, Frigga Haug, Wolfgang Küttler - Foto: Ulrich Meckler