Malthusianismus
A: māltūsīya. – E: Malthusianism. – F: malthusianisme. – R: mal’tuzianstvo. – S: malthusianismo. – C: Mǎěrsàsī zhǔyì 马尔萨斯主义
John Bellamy Foster (OW)
HKWM 8/II, 2015, Spalten 1580-1592
M bezeichnet eine politisch-demographische Denkströmung, die auf Thomas Robert Malthus’ Essay on the Principle of Population zurückgeht, dessen erste Auflage 1798 erschien. Als eine einflussreiche Bastion bürgerlichen Denkens wurde der Essay innerhalb der Arbeiterklassen größtenteils verachtet und von Marx wie von Engels, der ihn als »die offenste Kriegserklärung der Bourgeoisie gegen das Proletariat« (Lage, 1845, 2/493) bezeichnete, scharf kritisiert. John Maynard Keynes hingegen sah in ihm eines der Bücher, »die auf den Fortschritt des Denkens großen Einfluss gehabt haben« (1933/1956, 140), und in Malthus einen »Pionier in soziologischer Geschichtsschreibung« (139). Auch wenn das malthussche Bevölkerungsgesetz in seiner klassischen Form – wonach die Bevölkerung, falls ungehemmt, in geometrischer Reihe (also wie 1, 2, 4, 8, 16, …) wachse, während das Nahrungsangebot höchstens in arithmetischer Reihe (also wie 1, 2, 3, 4, 5, …) zunehme – bereits Mitte des 19. Jh. wissenschaftlich widerlegt war, taucht es seitdem in immer neuen Formen auf. Im späten 19. Jh. erlebte es eine Renaissance im Zuge der darwinschen Revolution und des Aufstiegs des Sozialdarwinismus. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. erscheint es als ökologischer Neo-M, wobei Malthus hier für gewöhnlich – fälschlicherweise – als ökologischer Denker präsentiert wird. Hinter all diesen Formen und Verkleidungen verbirgt sich der gemeinsame ideologische Kern allen malthusianistischen Denkens: die Armen selbst für ihr Elend verantwortlich zu machen und ihnen jede Hilfe zu verweigern, weil dies ihr Elend nur verlängern und zudem die Lage für die Wohlhabenderen verschlechtern würde.
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