materialisieren / Materiatur

A: ğassada / tağassud. – E: materialise / materialisation. – F: matérialiser / matérialisation. – R: materializirovat’ / materializacija. – S: materializar / materialización, concreción material. – C: wùzhìhuà / huàshēn 物质化 / 化身

Wolfgang Fritz Haug

HKWM 9/I, 2018, Spalten 138-143

Im Nachwort zur 2.A. von K I erwähnt Marx beiläufig, die Revue Positiviste habe ihm vorgeworfen, er »behandle die Ökonomie metaphysisch« (23/25). Er sagt nicht, dass es sich genau umgekehrt verhält, denn es ist die Warenform und mit ihr die gesamte Folge von Wertformen, deren Analyse sie als »voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken« ausweist (85). Seine Kritik der politischen Ökonomie lässt sich unter diesem Gesichtspunkt als eine Kritik der realen Parametaphysik und Paratheologie des Kapitals lesen. Die Rede von der Materialisierung des vorher Immateriellen und der resultierenden Materiatur klingt nach der Offenbarung des Johannes: »Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit« (Joh 1,14). Diese Sprache setzt Marx paraphrasierend ein, um »zu leisten, was von der bürgerlichen Ökonomie nicht einmal versucht ward, nämlich die Genesis dieser Geldform nachzuweisen« (23/62) und von hier die Rekonstruktion der Genesis der Kapitalform und ihrer formellen Ausdifferenzierung bis zu den entferntesten Derivatformen anzubahnen. Was die klassische bürgerliche Ökonomie entdeckt hat, »wenn auch unvollkommen«, ist die Arbeit als »den in diesen Formen versteckten Inhalt« (94f). Indes hat sie sich »niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt? Formeln, denen es auf der Stirn geschrieben steht, dass sie einer Gesellschaftsformation angehören, worin der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch nicht den Produktionsprozess bemeistert, gelten ihrem bürgerlichen Bewusstsein für ebenso selbstverständliche Naturnotwendigkeit als die produktive Arbeit selbst.« (95f)

Dies ist der Rahmen, in dem Marx gemäß seiner »Metakritik der Religion« (Haug 2016) zur Kritik der faktischen Paratheologie des Kapitals schreitet. Hier, auf einer Analyse-Ebene, die Zhang Yibing als die der »historisch-phänomenologischen Kritik« herausgearbeitet hat (1999/2014, 482 u.ö.), tauchen die Begriffe materialisieren und Materiatur bei Marx auf. Sie dienen der in Zhangs Sinn historisch-phänomenologischen Artikulation der Antwort auf die Frage, wie gesellschaftliche Arbeit in die ver-rückte Form einer Eigenschaft von Dingen gelangt, die diese in »sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge« verwandelt (23/86). Bei Hegel findet Marx die beiden Begriffe vor. Doch wo bei ihm zur Kritik kapitalistischer Real-Metaphysik, fungieren sie bei Hegel als metaphysische Begriffe.

abstrakt/konkret, abstrakte Arbeit, allgemeine Arbeit, anschauender Materialismus, Arbeit, Begriff, Bestimmung, Determination, Feuerbachscher Materialismus, Feuerbach-Thesen, Form, Formgehalt/Forminhalt, Form und Substanz, Geist, Hegel-Kritik, historischer Materialismus, Idealismus/Materialismus, immateriell, junger Marx, Materialismus (praktisch-dialektischer), Materialität (historische), Materie, materiell, Metapher, Metaphysik, Möglichkeit, Religionskritik, stofflich, Substanz, Verdinglichung, Vergegenständlichung, Verhältnis, Wert, Wertform, Wertsubstanz/-maß

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