Fetischcharakter der Ware

A: ta’līh as-sil‛a. – E: commodity fetishism. – F: fétichisme de la marchandise. – R: tovarnyj fetišizm. – S: fetichismo de la mercancia. – C: shangpin de baiwujiao xingzhi

Thomas Marxhausen

HKWM 4, 1999, Spalten 343-354

»F« leitet sich ab von port. feitiço, »Zauberwerk«, worin die semantische Substanz von lat. factitius – von facere, »machen«: ›künstlich‹, »durch Kunst gemacht«, also etwas Gefertigtes (Georges) – aufgehoben ist. Geprägt wurde der Term durch an der afrikanischen Westküste mit Kreuz und Schwert christianisierende Europäer zur Bezeichnung der Kultobjekte der ›Eingeborenen‹. Von Charles de Brosses (1760) zur Kennzeichnung einer angenommenen Urform der Religion eingeführt (vgl. Lanczkowski 1983), hat sich Fetischismus in der ersten Hälfte des 19. Jh. im europäischen Sprachgebrauch fest eingebürgert (vgl. Wildermuth 1970; Marxhausen 1988; Pietz 1993; Böhme 1997).

Marx greift – wie vor ihm Boisguilbert – den Term auf: Als FdW bezeichnet er bestimmte Aspekte im komplexen Zusammenhang der kapitalistischen Verkehrung von Subjekt und Objekt, der Entfremdung der Arbeit sowie der Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse. Die zentrale These besagt in diesem Zusammenhang, dass nur im Kapitalismus die sozialökonomischen Verhältnisse der Gesellschaftsmitglieder durch Waren und Geld auf eine Weise vermittelt sind, deren Effekte ins Leben von Individuen, Völkern und ganzer Erdteile wie »übermächtige, sie willenlos beherrschende Naturgesetze« eingreifen (K III). Es handelt sich um eine Macht, die nicht durch Aufklärung, sondern einzig durch Aufhebung ihrer Ursachen zu brechen ist. So hat »die Verwandlung Afrikas in ein Geheg zur Handelsjagd auf Schwarzhäute« (K I) einer Sprachbildung vorgearbeitet, deren wirkungsmächtigste Folge die kapitalismuskritische Handhabung der Termini Fetisch, Fetischismus und F durch Marx und im Marxismus ist.

Marx’ Beschäftigung mit Verhältnissen und Phänomenen, die in den späteren ökonomischen Schriften zur Ausarbeitung der Theorie des FdW führt, beginnt Anfang der 1840er Jahre und setzt sich bis in die 70er Jahre fort. Eine intensive Rezeption dieser Theorie setzt erst im 20. Jh. ein. In ihr dominiert die Diskussion des Phänomens der Verdinglichung. Einzelne Rezeptionslinien bemächtigen sich Marx’ Vorgaben unter lebensphilosophischen, kunsttheoretischen und kulturanthropologischen Gesichtspunkten; auch werden sie in die Kritik der Unterentwicklung der Dritten Welt als globales Problem eingebracht. Sigmund Freuds Theorie des sexuellen Fetischismus führt zu Versuchen, beide Fetischismus-Konzepte zu verknüpfen.

abstrakte Arbeit, Bewußtsein, Camera obscura, Denkform, Doppelcharakter der Arbeit, Dummheit in der Musik, Entfremdung, Entzauberung, Erscheinung/Erscheinungsform, falsches Bewusstsein, Flaneur, Fanonismus, Frankfurter Schule, Geld, Geheimnis, Gespenst, Gott, Ideologiekritik, Ideologietheorie, Irrationalismus, Kapital, Moloch, Mystifikation, Oberfläche, objektive Gedankenform, Personifikation, Religion, Religionskritik, Revolution, Schein, Sein/Bewusstsein, Spontaneität, trinitarische Formel, Verdinglichung, Vergegenständlichung, verkehrte Welt, Verkehrung, Vermittlung, Verselbständigung, Ware, Wertform, Wesen

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