Kulturimperialismus
A: 'imbiriyālīya aṯ-ṯaqāfīya. – E: cultural imperialism. – F: impérialisme culturel. – R: kul’turnyj imperializm. – S: imperialismo cultural. – C: wenhuadiguozhuyi 文化帝国主义
Elisabeth Timm
HKWM 8/I, 2012, Spalten 393-405
K bezeichnet zunächst eine spezifische Form imperialistischer Herrschaft, die nicht primär auf Ökonomie, Politik und/oder (militärischer) Gewalt basiert, sondern auf Kultur bzw. kultureller Hegemonie; sodann die ökonomische, politische oder gewaltförmige Beherrschung von Kultur. Dem poststrukturalistischen Befund, dem zufolge sich der Schwerpunkt der Diskussion zu Imperialismus »von materiellen Phänomenen zu Repräsentationen« verschob (Wolfe 1997), entgeht, dass es keine kontinuierlich bearbeitete Definition von K gibt. Die Verwendungsweisen von K im Schnittpunkt von Politik-, Macht-, Kultur- und Medienanalysen lassen sich jedoch diskursanalytisch rekonstruieren: Die K-These existiert nicht im »Original«, nur in »Versionen« (Tomlinson 1991).
Obgleich in der marxistischen bzw. später leninistischen Debatte zu Imperialismus von Kultur zunächst keine Rede war, kann Rosa Luxemburgs Position als Hinweis gelesen werden: Sie begreift Imperialismus im Unterschied zu Lenin nicht als bloßes Stadium des Kapitalismus, sondern als diesem zugrunde liegende Ausbeutung und schließlich Zerstörung nichtkapitalistischer Lebensweisen. Aus der nichtmarxistischen Debatte sind die Befunde der Zerstörung indigener Kulturen zu nennen, die kritisch gegen die christlich-missionarische westliche Expansion und deren Legitimierung als ›Kulturbringer‹ in Anschlag gebracht wurden, darunter Claude Lévi-Strauss Traurige Tropen (1955). Relevant für die Frage nach Gegenstand und Definition von K sind zudem diejenigen Analysen, die den Zusammenhang von Kultur und Macht fassen. Sie reichen über die Kulturindustriethese der Frankfurter Schule und Gramcis Hegemonie-Begriff über den britischen Kulturmarxismus und die Neue Linke bis zur Wissenschafts- und Repräsentationskritik poststrukturalistischer Ansätze der Ethnologie.
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