Della-Volpe-Schule

A: madhhab Della Volpe. – E: Della Volpe School. – F: école de Della Volpe. – R: škola Della-Volpe. – S: escuela de Della Volpe. – C: Dela-Wo'erpei pai

Ruedi Graf

HKWM 2, 1995, Spalten 522-527

Galvano Della Volpe (1895-1968), der seit 1938 Philosophie an der Universität Messina lehrte, kommt während des Zweiten Weltkriegs zum Marxismus. Die Annäherung, die ihn 1944 im befreiten Sizilien zum Eintritt in die KPI führt, erwächst aus wachsender Differenz zum Aktualismus Gentiles und zum Idealismus und Liberalismus Croces, aber auch aus dem Bewußtsein einer »nationalen und europäischen Krise« (O VI), das er mit vielen Intellektuellen seiner Generation teilt. Im Unterschied zum »schnellen Marxismus« vieler Zeitgenossen ist der seine kein umgebauter Idealismus auf Basis des süditalienischen Hegelianismus, sondern ein entschiedener Neuanfang, der das Marxsche Werk unter methodologischen Gesichtspunkten zu ordnen versucht.

Die Orientierung am methodologischen Marx der Hegelkritik, mit der DV in seiner schwierigen Terminologie die Polemik gegen Croce und den »Romantizismus« der Hegelmarxisten fortführt, erklärt zum Teil seine Isolation im italienischen Marxismus der Nachkriegszeit. Seine Position ist einerseits unvereinbar mit Togliattis Interpretation des Marxismus als Erbe des italienischen Historismus, die eine Kontinuität zwischen Croce und Gramsci herstellt, andererseits steht sie mit ihrer Fixierung auf das Erkenntnisproblem außerhalb der Linie Gramscis.

DV hielt auch als Marxist politisches Engagement und philosophische Diskussion voneinander getrennt. Seine Schule, zu der u.a. Ignazio Ambrogio, Lucio Colletti, Umberto Cerroni, Alessandro Mazzone, Nicolao Merker, Rocco Musolino, Giulio Pietranera, Mario Rossi und Giuseppe Vacca gehörten (vgl. Fraser 1977), entsteht in einer krisenhaften Situation des italienischen Marxismus, der KPI und der Linken insgesamt, artikuliert sich aber kaum politisch, was DV in der Debatte von 1961/62 nicht vor dem Fraktionismusvorwurf bewahrt. Seine politischen Eingriffe sind nicht primär Resultat der Strategiediskussion in der KPI; sie werden möglich, weil seine theoretische Reflexion an zwei Punkten mit ihr konvergiert.

Der erste Punkt betrifft das Verhältnis von liberaler und sozialistischer Demokratie. Den Anlaß liefert zunächst die Diskussion mit Norberto Bobbio über den Status der bürgerlich-liberalen Freiheiten und die Autonomie der Kultur (1953), dann vor allem die Diskussion um den XX. Parteitag der KPdSU und den italienischen Weg zum Sozialismus. Die hier entwickelten Gedanken erscheinen systematisiert im staatstheoretischen Hauptwerk Rousseau und Marx (1964). Der zweite Punkt betrifft das Verhältnis des Marxismus zur Wissenschaft. Hier intervenieren die Schriften von DV in den Prozeß der Auflösung des DiaMat. Seine schon in der ersten Fassung der Logik als positive Wissenschaft (1950) veröffentlichte methodologische Marx-Interpretation wird erst über zehn Jahre nach ihrem Erscheinen grundsätzlich diskutiert.

abstrakt/konkret, Antagonismus, Aufhebung, Ausdruck, Bedeutung, Demokratie, Dialektik, dialektischer Materialismus, Epistemologie, Erkenntnistheorie, Frühschriften, Hegelianismus, Hegel-Kritik, historischer Materialismus, Historismus, Liberalismus, logische Methode, Marxismus-Leninismus, Methode, Realabstraktion/Formalabstraktion, Sprache, Widerspruch

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