Erbe
A: irṯ. – E: heritage. – F: héritage. – R: nasledstvo, nasledie. – S: herencia. – C: yichan 遗产
Helmut Peitsch
HKWM 3, 1997, Spalten 682-698
Der Begriff erscheint beim späten Engels, wenn er in LF die deutsche Arbeiterbewegung als »Erbin der klassischen deutschen Philosophie« (…) bezeichnet. Verallgemeinert wurde diese These durch deutsche Theoretiker der II. Internationale, oft unter Bezugnahme auf Engels, implizit jedoch häufig geprägt von Lassalle. Aufgenommen wurden dabei zwei Probleme, zu denen neben Engels auch Marx Stellung genommen hatte, wenn er von Tradition sprach: das der Kritik und das des sozialen Zugangs. Das widersprüchliche Verhältnis beider findet sich bereits im Manifest, das der Bourgeoisie einerseits die Auflösung aller »altehrwürdigen Anschauungen und Vorstellungen«, anderseits die Verwandlung der »geistigen Erzeugnisse« in »Gemeingut« (…) zuschreibt. Damit stellt sich ein drittes Problem: das der Analogie zwischen Bourgeoisie und Proletariat als ›aufsteigenden Klassen‹. Kommunismus erscheint so als das »radikalste« ›Brechen‹ »mit den überlieferten Ideen«; zugleich konnte er, wie Engels im AD betont, als »konsequentere Fortführung« von »Grundsätzen« der Aufklärung (…) erscheinen. – Diese Widersprüchlichkeit wird vermittelt durch Ideologiekritik. Tradition erscheint primär negativ als »auf dem Gehirne der Lebenden« ›lastender‹ »Alp« (…): einmal in der Form »vorgefundnen Gedankenstoffs« (…), der als »große konservative Macht« (…) oder »große hemmende Kraft« (…) wissenschaftliche Erkenntnis verhindert; dann wiederum in der »weltgeschichtlichen Totenbeschwörung« (…) als Element der Illusionierung politischen Handelns. Es geht darum, dass »dasjenige, was aus der geschichtlich überkommenen Bildung – Wissenschaft, Kunst, Umgangsformen usw. – wirklich wert ist, erhalten zu werden, nicht nur erhalten, sondern aus einem Monopol der herrschenden Klasse in ein Gemeingut der ganzen Gesellschaft verwandelt und weiter fortgebildet werde« (…).
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