Französische Revolution
A: aṯ-ṯaura al-faransīya. – E: French Revolution. – F: Révolution française. – R: Francuszkaja revoljucija. – S: Revolución francesca. – C: fagul dageming
Matthias Middell
HKWM 4, 1999, Spalten 803-825
Das Verhältnis des Marxismus zur FR lässt sich mindestens auf vier Ebenen betrachten: 1. das in der Revolution von 1789 etablierte Revolutionsverständnis als Problemformulierung, auf die auch Marx und marxistische Revolutionstheorien zurückgriffen; 2. die historischen Studien von Marx und Engels zur FR; 3. der Platz der FR in der Symbol- und Metaphernwelt des marxistischen Diskurses im 19. und 20. Jh.; 4. die Entwicklung einer professionalisierten Geschichtsschreibung über die FR, die sich auf Marx oder marxistische Positionen berief. […]
Marx war von der Geschichte der FR fasziniert, das ist v.a. in den Frühschriften unübersehbar. Er teilte diese Faszination mit dem gesamten Milieu der fortschrittsbewussten Intellektuellen des deutschen Vormärz. Marx’ umfangreiche Lektüre der zeitgenössischen Revolutionshistoriographie und der Memoirenliteratur bezeugen u.a. die Exzerpthefte aus dem Aufenthalt in Bad Kreuznach (Juni bis Oktober 1843). Er hatte vor, eine Geschichte des Jakobinerkonvents von 1792-95 als Beispiel für die Relation zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft zu schreiben, die ihm bei der Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie zentral erschien, sollte der Stillstand eines affirmativen Verhältnisses zur konstitutionellen Monarchie überwunden werden. Zwei miteinander verbundene Aspekte waren Marx in diesem Zusammenhang besonders wichtig – die FR als abschließendes Moment einer längerfristigen Trennung der staatlich-politischen und der zivilgesellschaftlichen Sphäre und die damit erreichte Durchsichtigkeit der Gesellschaft, in der sich die sozialen Interessen direkt gegenüberstehen: »Es ist ein Fortschritt der Geschichte, der die politischen Stände in soziale Stände verwandelt hat […]. Die eigentliche Verwandlung der politischen Stände in bürgerliche ging vor sich in der absoluten Monarchie. Die Bürokratie machte die Idee der Einheit gegen die verschiedenen Staaten im Staate geltend. Indessen blieb selbst neben der Bürokratie der absoluten Regierungsgewalt der soziale Unterschied der Stände ein politischer, ein politischer innerhalb und neben der Bürokratie der absoluten Regierungsgewalt. Erst die fR vollendete die Verwandlung der politischen Stände in soziale und machte die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft zu nur sozialen Unterschieden […]. Die Trennung des politischen Lebens und der bürgerlichen Gesellschaft war damit vollendet.« (…)
Die FR hat demzufolge eine weltgeschichtliche Schlüsselstellung.
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