Anwendung
A: tatḥīq, istʿamāl. – E: application. – F: application. – R: primenenie. – S: aplicación. – C: yingyong
Thomas Laugstien
HKWM 1, 1994, Spalten 377-384
Seit Marx sich seiner »Untersuchungsmethode« zu vergewissern suchte, »die auf ökonomische Probleme noch nicht angewandt wurde« (K I), hat sich die theoretische Reflexion den Geheimnissen dieser Methode zugewandt. Ob man tatsächlich von »Anwendung« einer solchen sprechen kann, ist vergleichsweise spät und in dem Maße zum Problem geworden, wie sich Marxismus in eine allgemeine Weltanschauung transformiert hat, deren »konsequente« oder »schöpferische« A das Verständnis aller besonderen Problemlagen verheißt – eine Vorstellung, die Marx und Engels zeitlebens bekämpften. Althusser hat daher angemerkt, daß »das Äußerlichsein der Dialektik gegenüber ihren möglichen Objekten, d.h. die Frage der A einer Methode, eine vordialektische Frage stellt, d.h. eine Frage, die in aller Strenge für Marx keinen Sinn haben kann« (FM).
Allerdings wirft die Kritik dieser spontanen Redeweise ein doppeltes Problem auf. Erstens durchzieht sie das marxsche Werk; hat sie für Marx doch einen Sinn? Und welche Frage stellt sich damit? Zweitens fällt es zwar nicht schwer, die »Klassiker« zu zitieren, um die Vorstellung, Marxismus (prä-)existiere als »anwendbare« Lehre, der Kritik zu unterziehen. Nur hat man diese Äußerungen damit angewandt, noch dazu auf eine den zitierten Autor(ität)en gar nicht vorstellbare Problemlage, und ihnen damit durchaus neue Bedeutung gegeben. Kritisiert man also die ideologische Deformation, der der Term A als Vehikel dient, marxistisch, so stellt sich das Applikationsproblem wieder ein. Derselbe Althusser betrachtet »die A der marxistischen Philosophie auf Marx als die absolute Vorbedingung für das Verständnis von Marx« (FM). Der Zirkel führt in die Hermeneutik, die uns belehrt, »dass das Verstehen nicht so sehr eine Methode ist, durch die sich das erkennende Bewusstsein einem von ihm gewählten Gegenstande zuwendet, […] als vielmehr das Darinstehen in einem Überlieferungsgeschehen zur Voraussetzung hat« (Gadamer 1960), und verlangt letztlich eine Kritik derselben.
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