Hierarchie/Antihierarchie
A: at-tadarruǧ/al-la-tadarruǧ. – E: hierarchy/antihierarchy. – F: hiérarchie/anti-hiérarchie. – R: ierarchija / antiierarchija. – S: jerarquía/anti-jerarquía. – C: dengji zhidu/fan dengji zhidu 等级制度 / 反等级制度
Christoph Spehr
HKWM 6/I, 2004, Spalten 225-237
Eine Befreiungspolitik, die sich der Vision einer Gesellschaft von Gleichen verschrieben hat, stößt auf H als Dimension von Macht und Herrschaft. In ihrer spezifisch kapitalistischen Form tritt »der Masse der unmittelbaren Produzenten der gesellschaftliche Charakter ihrer Produktion in der Form streng regelnder Autorität und eines als vollständige H gegliederten, gesellschaftlichen Mechanismus des Arbeitsprozesses gegenüber […] – welche Autorität ihren Trägern aber nur als Personifizierung der Arbeitsbedingungen gegenüber der Arbeit, nicht wie in früheren Produktionsformen als politischen oder theokratischen Herrschern zukommt« (Marx, K III). Die Verschränkung von Herrschaft und Leitung in der Form von H.n ist Ausgangspunkt einer Politik, die durch den Angriff auf H hofft, Herrschaft zu treffen. Die utopischen Entwürfe und Experimente der Frühsozialisten für soziale Gemeinschaften, etwa die »Phalanx« bei Charles Fourier (1808) oder die »Villages of Cooperation« bei Robert Owen (1813), verbinden den Traum h-freier Assoziation mit der Kritik des Privateigentums. Sie provozieren damit die kritische Debatte um das Verhältnis von anti-hierarchischer Politik und Umwälzung der Produktionsweise, die sich als ein roter Faden durch die Geschichte des Marxismus und Sozialismus zieht.
H kann Grundlage, Folge und Ausdruck von Herrschaft sein. Wo sich H mit Kompetenz überlagert, geht sie in ›Autorität‹ über, wo es um Verfügung über Menschen und Dinge geht, in ›Macht‹. Umstritten ist in der Geschichte emanzipatorischer Bewegungen, ob H.n funktional notwendig sind, inwieweit sie gleichbedeutend sind mit Herrschaft, und wie sich das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft zur generellen Kritik von H.n, auch in der eigenen Organisation, verhält. Versuche, die gesellschaftliche Organisation des Lebens ohne H.n zu leisten, inspirierten immer wieder antikapitalistische Bewegungen im 20. Jh.
H-Kritik zielt auf Probleme von Über- und Unterordnung. Im Unterschied zu Herrschaft beinhaltet H aber nicht notwendig die Dimension des Zwangs. Wenngleich H-Kritik an der Alltagsevidenz ihres Gegenstandes ansetzen kann, bleibt sie unwirksam, solange sie nicht zusammenfällt mit der Bereitschaft der bislang Subalternen, ihnen vorenthaltene Entscheidungen und Vergesellschaftungsfunktionen selbst zu übernehmen.
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