Historische Schule der Ökonomie
A: al-madrasa at-tārīḫīya li-l-baḥṯ al-iqtiṣādī. – E: Historical School of Economics. – F: École historique de la économique. – R: istoričeskaja škola političeskoj ekonomii. – S: escuela historica de la economía. – C: jingji de lishixuepai 经济的历史学派
Mario Candeias, Thomas Marxhausen
HKWM 6/I, 2004, Spalten 367-375
Bei der HS handelt es sich um die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einflussreichste Variante der deutschen ›Vulgärökonomie‹. Sie dominierte ökonomische Forschung und Lehre; vermittels des 1872 gegründeten ›Vereins für Socialpolitik‹ und durch die Wirksamkeit des ›Kathedersozialismus‹ war sie meinungsbildend in politischen und unternehmerischen Kreisen hinsichtlich der umstrittenen ›sozialen Frage‹ sowie beim Kampf gegen Arbeiterbewegung, Sozialismus und Marxismus. Die innere Entwicklung von der älteren (äHS) zur jüngeren HS (jHS) spiegelt deutsche Geschichte – vom Kampf um Gewerbefreiheit in den Einzelstaaten bis zur Kartellbildung im wirtschaftlich erstarkten Reich, vom bürgerlich-feudalen Klassenkompromiss der 1848er Revolution bis zum Sozialistengesetz. Gegen Ende des Jahrhunderts beeinflusste sie sozialreformistische Strömungen in der Arbeiterbewegung. In idealistischer Verkennung, die gesellschaftlichen Widersprüche seien der ›abstrakten‹ klassischen Ökonomie geschuldet, statt der kapitalistischen Praxis, war die HS ängstlich bemüht, theoretische Verallgemeinerungen zu vermeiden. Im Ergebnis lief die Forschung im Delta ausufernder deskriptiver Untersuchungen einzelwirtschaftlicher Sachverhalte auf Grund. Theoriegeschichtlich hat sich das Projekt HS in die historische Soziologie und die Volkswirtschaftslehre ausdifferenziert. In letzterer wurde die historische Richtung von der Neoklassik nahezu zum Verschwinden gebracht, bis der us-amerikanische ›Institutionalismus‹ nach dem Zweiten Weltkrieg den Historismus reaktivierte, um keynesianische Sozialreformen zu rechtfertigen.
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