ethisch-politisch

A: aḫlāqī-siyāsī. – E: ethico-political. – F: éthico-politique. – R: étičesko-političeskij. – S: ético-político. – C: lunli zhengzhi de 伦理-政治的

Uwe Hirschfeld

HKWM 3, 1997, Spalten 910-914

In der Arbeit an der Wiedergewinnung des Marxismus als einem zivilgesellschaftlichen Projekt legt Antonio Gramsci im Begriff der e-p Geschichte den Akzent einerseits auf das Moment der Hegemonie im Verhältnis zur Zwangsgewalt, andererseits auf die geschichtliche Totalität. Dies ist sowohl im Kontext der Überwindung des Ökonomismus und der ökonomischen Geschichtsauffassung (à la Kautsky) zu sehen, als auch in dem der Abwendung eines abstrakten Politizismus, in dem die Staatsklasse ihre Aktivitäten verabsolutiert. In der Verbindung e-p wird die ethische Dimension der Politik zum Ausdruck gebracht, ohne die für Gramsci keine geschichtliche Handlungsfähigkeit zu gewinnen ist.

Der Term kommt in den Gefängnisheften in verschiedenen Verbindungen vor: e-p Prinzip (H. 8, §233), e-p Tätigkeit (H. 10.I, §5), e-p System (H. 10.I, §9), e-p Klima (H. 10.II, §9), e-p Einheit (H. 10.II, §14), e-p Aspekt der Politik (H. 10.II, §41.X); zumeist aber wird e-p in Verbindung mit Geschichte gebraucht.

Die Übersetzung des ital. Ausdrucks etico-politico wirft das Problem der Reihenfolge der beiden Bestandteile auf: Da Adjektive in romanischen Sprachen zumeist nach dem Substantiv stehen, muss bei Adjektivpaaren die Reihenfolge im Deutschen (wie im Englischen) umgestellt werden: so ist »economico-politico« als »politisch-ökonomisch« wiederzugeben oder »nazionale-popolare« als »popular-national«). Bei »e-p« hat die deutsche Ausgabe nun allerdings – um sich nicht gegen die gesamte Tradition der Rezeption nicht nur Gramscis, sondern auch Croces in Deutschland zu stellen – von der Umstellung keinen Gebrauch gemacht (was der Herausgeber inzwischen für falsch hält, vgl. Haug 1996), obwohl e-p immer auch als »politisch-ethisch« gelesen und verstanden werden kann und vielleicht muss. Immerhin lässt sich sagen, dass, wenn Gramsci von Croce den Impuls zu einer politischen Ethik übernimmt, diese »ihn zu einer ethischen Politik befähigen soll, die als ›ethische‹ geschichtlich und das heißt wirklich politisch, weil hegemonial wird«, also auf ethische Weise politisch ist (Haug, Einleitung zu Gef 6). Nicht zuletzt findet die Ethik damit auch wieder ihren Ort in der Politik, wo sie ihn bei Aristoteles hatte.

Basis, Dialektik, Einheit, Ethik, geschichtlicher Block, Gewalt, Gramscismus, Hegemonie, Hegemonialapparat, Historismus, Intellektuelle, Katharsis, Korporatismus, Machiavellismus, Ökonomismus, passive Revolution, Politik, Staat, Südfrage, Superstruktur, Totalität, Überbau, Vulgärmarxismus

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