Klientelismus

A: zabā‛iniyah. – E: clientelism. – F: clientélisme. – R: klientelizm. – S: clientelismo. – C: bihuzhuyi 庇护主义

Wolf-Dieter Narr

HKWM 7/I, 2008, Spalten 1011-1019

Von lat. cliens, im alten Rom ursprünglich zu Dienstleistungen verpflichteter halbfreier Schutzbefohlener, später ärmerer römischer Bürger, der sich einem reichen patronus als Teil von dessen clientela (»Schutzverwandtschaft«) anschließt. Die Etymologie ist umstritten. Die eine Version rekurriert auf cluere, »heißen, gepriesen werden, genannt werden, auf einen Namen hören«, in älterer Zeit bedeutete es wahrscheinlich »(auf jemanden) hören, gehorchen«, eine Bedeutung, die das stammverwandte gr. Verb κλύω auch späterhin noch bewahrt hat. Mit clientela wird im Hauptakzent ein persönlich durchmischtes Abhängigkeitsverhältnis bezeichnet. Das Wort kann kollektiv gebraucht werden. Dörfer, Städte, »Staaten« können in einem Klientenverhältnis stehen (knapp und treffend: Georges 1885). Eine andere Wortherleitung führt cliens auf clinare, »biegen, beugen«, oder auch »anlehnen«, zurück. Der cliens ist demnach jemand, der sich einem Mächtigeren »beugt« bzw. sich an ihn »anlehnt«. In dieser Akzentuierung ist der Begriff von der Ethnologie nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen worden. Von dort ist er seit den 1970er Jahren in die Politikwissenschaft diffundiert. Auf einen allgemeinen Nenner gebracht, dient der Begriff der Analyse »informeller Machtverhältnisse, die auf dem Tausch von Vergünstigungen zwischen zwei Personen (auch zwischen zwei Gruppen) in ungleicher Position gründen«: eine »höhergestellte Person« (Patron) setzt ihren Einfluss und ihre Mittel ein, um einer »niedriger gestellten Person« (Klient) »Schutz oder Vorteile zu verschaffen, die dafür Unterstützung und Dienste anbietet. […] Der Inhalt des Tausches ist konkret und diffus, seine Anstöße sind zweckorientiert und partikulär.« (Caciagli 1997; vgl. Médard 1976) Die Forschungen, die auf einen solchen kategorialen Zugriff bauen, haben sich darin verdient gemacht, die von der Modernisierungstheorie allzu oft geleugnete staatsbildende Funktionalität vorvertraglicher sozialer und politischer Beziehungen aufzuhellen. Sie unterstützen aber gleichzeitig die inner- wie außerhalb des Wissenschaftsbetriebs verbreitete Tendenz, den herrschaftskritischen Gebrauchswert des K-Begriffs brachliegen zu lassen.

Bauernkrieg, Beamte, Entwicklungsländer, Familie, Feudalismus, Herrschaft, Kazikentum, Klassenherrschaft, Knechtschaft, Kolonialismus, Konsens, Korruption, Kulturstudien (Cultural Studies), Modernisierung, moralische Ökonomie, Paternalismus, Patriarchat, Peronismus, Sklaverei/Sklavenhaltergesellschaft, Staat, Subalternität, ungleiche Entwicklung, Ungleichzeitigkeit

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k/klientelismus.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/18 15:10 von christian     Nach oben
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