Kollektiv/Gruppe

A: ġamā‛iyah/maġmūca. – E: collective/group. – F: collectif/groupe. – R: kollektiw/gruppa. – S: colectivo/grupo. – C: jiti/qunti 集体/群体

Hans-Ernst Schiller

HKWM 7/II, 2010, Spalten 1116-1120

K und Gruppe sind Zentralbegriffe in Jean-Paul Sartres Kritik der dialektischen Vernunft (1960) […]. Programm und Titel der KdV stehen in der Tradition Kants: Es geht um »die Frage nach den Grenzen, der Gültigkeit und Reichweite der dialektischen Vernunft« (…), wobei sich Sartre bes. gegen die »monistisch« genannte Konzeption einer Naturdialektik wendet. In Sartres Entwicklung stellt die KdV eine Wendung zur wirklichen Geschichte dar, der er eine anthropologische Fundierung geben will. Ausgangspunkt ist die Unmittelbarkeit, die individuelle Subjektivität, deren Irreduzibilität das tragende Motiv des gesamten sartreschen Denkens bildet. […]

Für Sartre ist K ein entfremdetes soziales Objekt. K.e sind »Systeme, Apparate und Instrumente, die zugleich reale, materielle Existenzgrundlagen besitzende Objekte sind, und Prozesse, die – in der Gesellschaft und oft gegen sie – Zwecke verfolgen, die niemandes mehr sind« (1960/1999). In ihrer materiellen Gegenständlichkeit formieren sie menschliche Beziehungen – Gebäude (Kirche, Schule, Amt), Straßen, Plätze; Maschinen, Flugzeuge, der 7-Uhr-51er-Bus; Massenmedien, der 50-Euro-Schein, Statuten, Karteikarten, Vereinslokale etc. Entfremdete soziale Objekte bilden das »praktisch-inerte Feld«. Auch die Familie ist ein K, elementar vereinigt durch die gemeinsame Wohnung. K.e sind passiv und von außen vereinigt, sie können auch geistige Gebilde sein wie »der Idealismus« (dessen träge Materialität z.B. in gewissen Büchern oder Institutsräumen besteht) oder Herrschaftsideologien wie der Rassismus, der in Gesprächen und Praktiken sich materialisiert. […]

Die Alternative zum seriellen K, das von außen und passiv vereinigt wird, ist die Gruppe. Sie »definiert sich durch ihr Unternehmen und jene konstante Integrationsbewegung, die aus ihr eine reine Praxis machen will, indem sie alle Formen der Trägheit in sich zu unterdrücken versucht« (…). Gruppen konstituieren sich im Augenblick der Gefahr und müssen sich gegen die äußere Bedrohung behaupten. Die gemeinsame Praxis ist der Blitz, der das K zerreißt (…). Im Gründungsakt der Gruppe geschieht die »Entdeckung einer furchtbaren gemeinsamen Freiheit« (…).

Anthropologie, Entfremdung, Existenzialismus, Frauenbewegung, Geschlecht, Geschlechterverhältnisse, historischer Materialismus, Individualismus, Individuum, Klasse an sich/für sich, Kollektiv, kollektives Handeln, Organisation, Praxis, Revolutionstheorie, subjektiver Faktor

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