internationale Beziehungen
A: al-ʽalāqāt ad-daulīya. – E: international relations. – F: relations internationales. – R: meždunarodnye otnošenija. – S: relaciones internacionales. – C: guójì guānxì 国际关系
Stephen Gill (EB)
HKWM 6/II, 2004, Spalten 1372-1387
Jeremy Bentham prägte 1780 die moderne Bedeutung des Ausdrucks ›international‹ im Blick auf internationales Recht. Im 19. Jh. wurde dieses Adjektiv v.a. in Bezug auf internationalen Handel und die Beziehungen zwischen Herrscherhäusern, Nationen und Imperien gebraucht. Die Ursprünge von Theorie und Praxis der iB liegen jedoch früher: etwa in den 2500 Jahre alten Schriften des chinesischen Strategen Sun-Tsu (Die Kunst des Krieges) oder in Thukydides’ Werk über den Peloponnesischen Krieg von 431 bis 404 v.u.Z. Eine weitere historische Quelle ist Ibn Khaldun, der um 1400 über den Aufstieg und Fall politischer Formen und regionaler Strukturen von Handel, Krieg und Frieden im Mahgreb des Mittelalters schrieb.
Das moderne Verständnis von iB war ursprünglich gedacht als Beratung von Fürsten und politischen Führern, wie dauerhafte Formen der Regierung und sozialer Kontrolle in ihren Herrschaftsbereichen oder Territorien aufzubauen wären in Bezug auf Strategien von Krieg und Frieden, die als Mittel zur Akkumulation gesellschaftlicher Macht angesehen wurden. Da sich die Perspektive der iB-Theorien weitgehend dem Standpunkt der etablierten Macht verdankt, handelt es sich tendenziell um ein konservatives Feld. Am ML ist zu beobachten, dass selbst Theorien, die wie der Leninismus ursprünglich eine radikale Herausforderung für die existierende Ordnung darstellten, zu Stützen etablierter Macht werden, wie sich unter Stalin ablesen lässt (Carr 1946).
V.a. seit dem Zusammenbruch der SU wird die westliche Theoriebildung von der etablierten angloamerikanischen Wissenschaft dominiert. Kritische und dialektische Ansätze wurden als ›unwissenschaftlich‹ oder ›ideologisch‹ abgetan. Doch in einer Epoche, in welcher der ›Neorealismus‹ amerikanischer Observanz zur herrschenden Orthodoxie geworden ist, bildet sich im Gegenzug ein kritischer transnationaler historischer Materialismus heraus. Sein neo-gramscianischer Ansatz ermöglicht, das widersprüchliche Verhältnis von inter-, trans- und innernationalen Kräften des High-Tech-Kapitalismus in der Perspektive der Bildung eines alternativen transnationalen gesellschaftlichen Blocks zu analysieren.
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