Merkantilismus

A: mirkantīlīya. – E: mercantilism. – F: mercantilisme. – R: merkantilizm. – S: mercantilismo. – C: zhòngshāng zhǔyì 重商主义

Klaus Müller

HKWM 9/I, 2018, Spalten 633-647

Monetarismus und M prägen das ökonomische Denken und die Wirtschaftspolitik in Europa von etwa 1500 bis ins 18. Jh. Der Term M leitet sich ab von lat. mercari (Handel treiben) bzw. franz. mercantile (kaufmännisch). François Quesnay und Victor Riquetti Marquis de Mirabeau erwähnen das »système mercantile« bzw. »système commerciale« 1763 in ihrer Philosophie rurale (Hofmann 1971, 18, Fn. 1). Adam Smith macht 1776 die Begriffe »Merkantilsystem« bzw. »Handelssystem« in England bekannt (Reichtum, 184ff). M ist die vorherrschende Wirtschaftstheorie und -politik während der »ursprünglichen Akkumulation« des Kapitals, die »in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle [spielt] wie der Sündenfall in der Theologie« (K I, 23/741). Der M fördert die Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise und der bürgerlichen Nation. Er hilft, den Feudalismus zu überwinden und ist insoweit historisch progressiv. Seine Klassenbasis ist das »Kaufmannskapital« bzw. »Handelskapital«. Dieses begünstigt, betreibt und beherrscht die einfache kapitalistische Kooperation, die Hausindustrie, das Verlagssystem und die kapitalistischen Manufakturen (K III, 25/339 u. 347f). In dieser Periode kommt »das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend« zur Welt (23/788). Engels spricht in Umrisse vom blutigen »Schrecken des Merkantilsystems«, dem »System des erlaubten Betrugs« (1/499f). Im M zeige sich »die alte Geldgier und Selbstsucht, und diese brach von Zeit zu Zeit in den Kriegen aus, die […] alle auf Handelseifersucht beruhten« (ebd.). Seinen Höhepunkt und Abschluss findet der M in England im 17. und 18. Jh. Überwunden wird er durch die Physiokraten und den klassischen Liberalismus. Inhalte des M werden in der ersten Hälfte des 20. Jh. reaktiviert. John Maynard Keynes begründet damit die staatliche Regulierung der Wirtschaft, sein »view of economic relationship is in many ways strikingly similar to that of the mercantilists« (Heckscher 1955/1983, 340), sodass seine Lehre mitunter auch als Neo-M bezeichnet wird. Merkantile Politik bleibt bis ins 21. Jh. bedeutsam.

Die kritische Würdigung des M durch Marx und Engels und der marxistische Diskurs betreffen Entstehung, Inhalt und Überwindung des M, seine Abgrenzung zum Monetarismus, Unterschiede und Gemeinsamkeiten nationaler Varianten und die wissenschaftsgeschichtliche Einordnung. Die Form, in der sich der M als Wirtschaftstheorie und -politik jeweils ausprägte, hing weitgehend von Reifegrad und Entwicklungstyp des Handels- und Manufakturkapitalismus ab. Eine historisch-kritische Behandlung des M umfasst somit die Darstellung einer bestimmten Wirtschaftspolitik und deren wirtschaftstheoretische Legitimation im 16. bis 18. Jh. sowie merkantile Elemente als ein Merkmal der Handels- und Wirtschaftspolitik kapitalistischer Staaten generell.

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m/merkantilismus.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/11 14:08 von christian     Nach oben
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