immateriell
A: lā-māddī. – E: immaterial. – F: immatériel. – R: nematerial’no. – S: inmaterial. – C: feiwuzhi de 非物质的
Dieter Wittich
HKWM 6/I, 2004, Spalten 816-819
Die Worte »immateriell« (a. d. Frz.) oder »immaterial« (a. d. Neulat.) bezeichnen ursprünglich Eigenschaften, Tatbestände, Seinsbereiche oder alles Existierende dann, wenn von diesen behauptet wird, dass sie »frei von jeder Beschränkung durch Materie« wären (Brockhaus 1902; Schmidt 1916; Clauberg/Dubislav 1923; Eisler 1927). »Immaterialismus« heißt dem entsprechend jede philosophische Konzeption, die die Existenz von Immateriellem annimmt und diesem genetisch oder aktuell eine konstituierende Rolle im gesamten Weltgeschehen zuspricht. Eine Immaterialität wird vor allem für das menschliche Bewusstsein (die Seele) oder für angenommene übernatürliche, vor allem göttliche Wesenskräfte behauptet. Ein einigermaßen konsequent ausgeführter Immaterialismus wird auch als Spiritualismus bezeichnet. George Berkeleys Three Dialogues between Hylas and Philonous (1713) gilt als Repräsentant eines radikalen Immaterialismus (s.a. Lenin, ME, 1909, im Anschluss an Plechanow 1908ff). Um die Mitte des 19. Jh. suchten in Deutschland die sog. Theosophen (H.Ulrici, I.H.Fichte u.a.) einen stark um öffentlichen Einfluss bemühten Immaterialismus zu propagieren. In wechselnder Gestalt blieben solche Strömungen auch später wirksam.
Die jeweilige Ausführung immaterialistischer Konzepte ist u.a. davon abhängig, was unter dem konkurrierenden Fundamentalbegriff »Materie« verstanden wird bzw. was die jeweils attackierten philosophischen Positionen als Bedeutung einer entsprechenden Bezeichnung fassen. Im nichtmarxistischen Materialismus war es besonders im 19. Jh. verbreitet, »Materie« als Stoff zu deuten und diesen mit auf Atomen aufbauenden physikalischen Strukturen zu identifizieren (vgl. Wittich 1971). Jede um begriffliche Strenge bemühte Ausführung eines entsprechenden Materialismus musste zu der Konsequenz führen, dass auch alles Ideelle letzten Endes stofflich sei, etwa eine Flüssigkeit, wie schon Pierre Cabanis Ende des 18. Jh. meinte (…). Auch um eine solche Konsequenz zu vermeiden, suchte Lenin den materialistischen Materiebegriff von seiner verbreiteten Identifikation mit dem Begriff des Stoffes zu befreien.
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