Ironie
A: as-suḫrīya/at-tahakkum. – E: irony. – F: ironie. – R: ironija. – S: ironía. – C: fǎnyǔ 反语
Thomas Barfuss
HKWM 6/II, 2004, Spalten 1517-1531
Ironisch heißen Verfahrensweisen, die es dem Subjekt erlauben, sich direkter Stellungnahme zu einer bestimmten Wirklichkeit oder deren Deutung zu entziehen und durch Verkehrung oder reflexive Brechung auf Distanz zu gehen. Solche Distanzierung kann sich revolutionär radikalisieren, indem sie Unterdrückung und Ausbeutung zum Vorschein bringt. Darüber hinaus bezeichnet I eine Haltung des modernen Subjekts, das seine Positionierungen nicht kohärent und einheitlich zu begründen vermag, sondern über die Abgründe unvermittelt hinwegsetzt, ohne dies vor sich oder anderen zu verbergen. Der Versuch, die Antagonismen der bürgerlichen Gesellschaft nicht bloß ironisch zu überspringen, sondern historisch-konkret zu überwinden, ist mit dem befehlsadministrativen Sozialismus zunächst fehlgeschlagen. Wurde damit eine zur Dogmatik erstarrte Dialektikauffassung geschichtlich ironisiert, so stellt sich nach einer kurzen Phase postmoderner Euphorie neu die Frage, wie die Kluft zwischen der Manövrierfähigkeit des ironischen Subjekts und einer in Sachzwängen und Katastrophen ablaufenden Geschichte zu schließen wäre.
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