Individuum
A: al-fard. – E: individual. – F: individu. – R: individ. – S: individuo. – C: gèrén, gètǐ 个人, 个体
Hans-Ernst Schiller
HKWM 6/II, 2004, Spalten 948-969
In der Sprache der Antike meint lat. individuum wie gr. ἄτομον das Unteilbare, während die Moderne beim I zunächst an den einzelnen Menschen denkt, der sich seiner selbst bewusst ist und frei zu handeln vermag. Zwischen beiden Polen vollzieht sich eine Wort- und Theoriegeschichte, die im Denken von Marx und seinen Nachfolgern gegenwärtig ist. Grundproblem des marxschen Denkens ist die Verselbständigung des gesellschaftlich Allgemeinen, vornehmlich in Staat und Kapital, und die Möglichkeit ihrer Aufhebung, die Marx zufolge darauf beruht, dass jene Verselbständigung von den I.n selbst in historisch bestimmten Verkehrsformen produziert wird. Die Entgegensetzung von I und Gesellschaft umschließt, wie man in einer Marx-Paraphrase (…) sagen kann, eine Weltgeschichte. In dieser wird der Einzelne zunehmend aus vorgegebenen Kollektiven gelöst und muss als selbstverantwortliches Subjekt überleben, kann sich aber auch, wenn die äußeren Bedingungen gegeben sind, in seinem Weltbezug erweitern und innerlich differenzieren. […]
In Bezug aufs I ergeben sich im Anschluss an Marx einige Probleme, die bei ihm kaum oder gar nicht thematisiert worden sind: 1. das Verhältnis von I und Kollektiv im politischen Kampf; 2. die Prägung des »persönlichen I« durch die Instanzen der Sozialisation, v.a. der Familie; 3. die Symptome der Auflösung des bürgerlichen I im historisch entwickelten Sinn, verbunden mit einer Kritik des I als Subjekt; und schließlich 4. die Frage nach der realen Möglichkeit des Zielentwurfs einer Subsumtion der Produktivräfte unter die ›assoziierten‹ I.n.
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