Arbeiterklasse
A: ṭabaqa ʿāmila. – E: working class. – F: classe ouvrière. – R: rabočij klass. – S: clase obrera. – C: gongren jieji
Michael Krätke
HKWM 1, 1994, Spalten 442-463
Von Anhängern wie Gegnern wurde und wird der Marxismus beständig mit der A in Verbindung gebracht. Für viele ist diese – von Marx und Engels gewollte und oft genug betonte – Verbindung geradezu das Markenzeichen, das allen seinen Strömungen gemeinsam ist. Hat nicht Marx selbst erklärt, daß sein Lebenswerk, die KrpÖ, der selbständigen Bewegung der A im und gegen den Kapitalismus und ihren Wortführern vieles zu verdanken habe? »Soweit solche Kritik überhaupt eine Klasse vertritt, kann sie nur die Klasse vertreten, deren geschichtlicher Beruf die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise und die schließliche Abschaffung der Klassen ist – das Proletariat.« (K I) Gerade das Kapital ist als »Bibel der Arbeiterklasse« gepriesen worden. Was aber, wenn der Antikapitalismus der historischen A mit dem »wissenschaftlichen Sozialismus« der Marxisten nur am Rande etwas zu tun hat? Wenn die historische Verbindung zwischen A und Marxismus auf Mißverständnissen auf beiden Seiten beruht? Wenn die A mit ihren historischen Klassenkämpfen im Kapitalismus auf die Dauer so erfolgreich war, daß diese Kämpfe nicht nur ihre Formen, sondern auch ihren Inhalt und ihr Ziel geändert haben? Wenn sie sich im Gang der kapitalistischen Entwicklung völlig verändert, gar auflöst oder einen sozialen Aufstieg von der ehemals proletarischen zu einer kleinbürgerlichen Lebenslage schafft? Wenn vom sozialrevolutionären Impetus, der nach Ansicht vieler Sozialisten, nicht nur der Marxisten, dieser Klasse eigen sein sollte, nichts mehr übrig bleibt, da sie sich in ihrer großen Mehrheit in den Produktions- und Lebensverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft bequem hat einrichten können?
Die »Verbürgerlichung« der A wurde schon um die Jahrhundertwende beklagt. Seither wurde des öfteren »Abschied vom Proletariat« genommen. Die Ironie der Geschichte will es, daß gerade die A der vormals »sozialistischen« Länder von enttäuschten Intellektuellen für das Scheitern des »real existierenden Sozialismus« verantwortlich gemacht wird. Soll man es denen, die unter dem langwierigsten »sozialistischen Experiment« der modernen Geschichte am meisten zu leiden hatten, verübeln, daß sie sich den Verlockungen des »real existierenden Kapitalismus« ergeben haben? Der Sozialismus als Projekt und Gesellschaftsmodell ist wieder auf der Suche nach einem »historischen Subjekt«.
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