Kritische Psychologie

A: 'ilm an-nafs an-naqdī. – E: critical psychology. - F: psychologie critique. – R: kritičeskaja psichologija. - S: psicología crítica. – C: pipanxinlixue 批判心理学

Morus Markard

HKWM 8/I, 2012, Spalten 167-186

Die Kritische Psychologie (KP) entstand, als Klaus Holzkamp, Psychologieordinarius an der Freien Universität Berlin, bewegt durch die Gesellschafts- und Wissenschaftskritik der Studentenbewegung 1968ff, nach der gesellschaftlichen Funktion psychologischer Forschung und Praxis fragte und, angeregt durch studentisch organisierte Seminare, die marxsche KrpÖ rezipierte. Dies führte Holzkamp und seinen Arbeitszusammenhang, von der Mainstream-Psychologie erbittert bekämpft, zu dem Programm, über eine Funktionskritik hinaus die »gesamte Psychologie durch Kritik und Revision ihrer Grundbegriffe und darin eingeschlossenen methodischen Vorstellungen auf eine neue wissenschaftliche Basis zu stellen« (1983). Diese soll sowohl der Naturgrundlage als auch der Gesellschaftlichkeit menschlicher Existenz angemessener Rechnung tragen. Mit den Grundbegriffen »restriktive« vs. »verallgemeinerte Handlungsfähigkeit« sollen »Probleme subjektiver Lebensführung« (…) in der kapitalistischen Gesellschaft zwischen Anpassung und Widerstand analysierbar werden. Wie der Marxismus »in der Art und Weise, wie er das Verhältnis zwischen objektiver Bestimmtheit und subjektiver Bestimmung des historischen Prozesses« herausarbeite, »historische Subjektwissenschaft par excellence« sei, so ziele KP als »›besondere Subjektwissenschaft‹« auf die »Entwicklung der subjekthaftaktiven Komponente, also der Selbstbestimmung, in der individuellen Lebenstätigkeit« (1977a; Hv. hier u. folgend z. T. getilgt). Das sei nur möglich, wenn sich die KP methodisch als Psychologie »vom Standpunkt des Subjekts« (1983) bewähre und zugleich einen »aufklärerischen Kampf gegen die falsche subjektivistische ›Psychologie‹ in den Köpfen der Menschen« führe (1973/2006).

Der dezidierte Bezug auf den Marxismus unterscheidet die KP von anderen sich als kritisch verstehenden Ansätzen, die von gemeindepsychologischen über psychoanalytische, kulturpsychologische, feministische bis zu poststrukturalistischen Richtungen reichen (vgl. Billig 2006). Die Verbindung zwischen gesellschaftlichem Befreiungsprojekt und KP beförderte in den 1970/80er Jahren eine massenhafte Rezeption bes. unter Studierenden, die in drei Kongressen und sechs »Ferienuniversitäten« ihren Ausdruck fand. Wie andere marxistische bzw. kritische Ansätze wurde die KP nach dem Auslaufen der seit den 1970er Jahren bestehenden bzw. erkämpften Stellen aus dem akademischen Rahmen weitestgehend ausgeschlossen. Dies konnte aber das Interesse an ihr nicht verhindern. An einem 1998 abgehaltenen »Kongress Kritische Psychologie« und an Ferienuniversitäten 2010 und 2012 nahmen jeweils viele Hundert Menschen teil. Seit 1997 wird eine auf acht Bände angelegte Werkausgabe Holzkamps herausgegeben, 2012 erschien ein Reader mit ausgewählten Arbeiten in englischer Übersetzung, eine spanische Ausgabe wird vorbereitet. Eine Einführung in die Kritische Psychologie (Markard 2009a) erreichte 2012 die vierte Auflage.

Arbeit, Automation, Bedeutung, Bedürfnis, Denken, Denkform, Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse, Erinnerungsarbeit, Evolution, Feuerbach-Thesen, Frauenformen, Freudomarxismus, funktional-historische Analyse, Gefühle/Emotionen, Geschlechterverhältnisse, Handlungsfähigkeit, Idealtypus, Kategorie, Kulturhistorische Schule, Lebensführung, Lernen, Psychoanalyse, Psychologie, Subjekt, Subjektwissenschaft, Unbewusstes, Vergesellschaftung, Zwang

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