Menschewismus

A: manāšifa. – E: Menshevism. – F: menchevisme. – R: men’ševizm. – S: mencheviquismo. – C: Mèngshíwéikè zhǔyì 孟什维克主义

Vesa Oittinen

HKWM 9/I, 2018, Spalten 572-580

Menschewismus ist die generalisierende Bezeichnung für die gemäßigte, reformistische Richtung in der russischen Sozialdemokratie. Sie steht für eine am Muster der sozialdemokratischen Parteien im Westen orientierte Alternative zum Leninismus und zur von den Bolschewiki geführten revolutionären Bewegung. Der Term gewinnt diese Bedeutung erst in den Kontroversen des 20. Jh. über die Oktoberrevolution und ihre epochale Wirkung in der ideologisch aufgeladenen Entgegensetzung zum Bolschewismus. Die Beurteilungen fallen dabei je nach politischer, nationaler oder auch religiöser Interessenlage unterschiedlich aus. Im Rahmen einer historisch-kritischen Betrachtung steht dagegen die konkrete Entwicklung im Vordergrund, wie sich die Menschewiki (M) in Opposition zur leninschen Richtung formierten und welchen Konzeptionen sie dabei folgten.

Die Bezeichnung M ist zufällig entstanden: auf dem II. Parteitag der SDAPR in Brüssel und London 1903 gerieten die Gegner Lenins, geführt von Julius Martow, zeitweilig in die Minderheit (russ. men’šinstvo). Trotz späterer Umgruppierungen und Wiedervereinigungsversuche blieben M und Bolschewiki die zwei grundlegenden Richtungen der russischen Sozialdemokratie bis zur Oktoberrevolution. Während die Bolschewiki sich dann auch offiziell so nannten, blieb die Benennung M inoffiziell. Lenin rechnete die Gruppierung 1919 zu den »kleinbürgerlichen Parteien« – sie repräsentierten »keine proletarische Schicht«, sondern bestünden im Wesentlichen aus »kleinen Intellektuellen« (LW 29, 167). Allerdings ist in der Forschung bemerkt worden, dass auch viele Bolschewiki aus der Intelligenzija kamen und dass es überhaupt irreführend sei, Parteibildung in Russland auf ähnliche Weise auf ihre soziale Basis zu beziehen wie im Westen (Tjutjukin 2002, 67ff). Eine russische Besonderheit war zudem, dass die Arbeiterpartei sich früher konsolidiert hatte als die bürgerlichen Parteien und daher anfänglich auch kritische Liberale anzog.

Agrarreform, Avantgarde, Berufsrevolutionär, Bolschewisierung, Bürgerkrieg, Bürokratie, Demokratie/Diktatur des Proletariats, demokratischer Zentralismus, Dissident(inn)en, Intellektuellenfeindschaft, Kaderpartei, Kautskyanismus, Klassenanalyse, Kleinbürger, Kleinbauern, Kronstädter Aufstand, Legaler Marxismus, Luxemburgismus, Marxismus Lenins, nationale Spezifik, nichtkapitalistischer Weg, Oktoberrevolution, Opportunismus, Organisation, Orthodoxie, Parlamentarismus, Partei neuen Typs, Politischer Marxismus, Pressefreiheit, Revisionismus, Revisionismusstreit, Revolution in einem Land, Russische Revolution, Sowjet, Sowjetische Gesellschaft, Sowjetkritik, Sozialdemokratie, Sozialdemokratische Programme, sozialdemokratische Sowjetkritik, Sozialdemokratismus, Sozialismus in einem Land, Sozialrevolutionäre, Strategie/Taktik, Terrorismus, Trotzkismus, Volkstümler, Zentralismus

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