Militärkritik, feministische
A: naqd an-niswī lil-ʽaskarīya. – E: feminist critique of the military. – F: critique militaire féministe. – R: feminističeskaja voennaja kritika. – S: crítica feminista de los militares. – C: nǚquán zhǔyì de jūnshì pīpàn 女权主义的军事批判
Marlene Hepach (I.), Frigga Haug (II.)
HKWM 9/I, 2018, Spalten 965-975
I. Weibliche Kritik an Militär, Militarismus und Krieg wurde bekannt durch die politische und künstlerische Arbeit von Frauen wie Bertha von Suttner, die 1905 den ersten Friedensnobelpreis erhielt, und Käthe Kollwitz. FM, die den Zusammenhang von Geschlechterverhältnissen und Krieg untersucht und damit beginnt, Frauen als handlungsmächtige Akteurinnen zu begreifen, wurde erst in den 1970er Jahren durch die »zweite Frauenbewegung« vorangetrieben. Grundlegend war die Erkenntnis, dass es »patriarchale Geschlechterverhältnisse sind […], die unsere Gesellschaften für Krieg prädisponieren. Sie sind eine treibende Kraft für das Fortbestehen kriegerischer Auseinandersetzungen. Sie gehören zu den Ursachen von Kriegen.« (Cockburn 2010, 156) Einen theoretischen Bedeutungsverlust dieser Form von fM reflektiert Cockburns Feststellung, dass »feministische Akademikerinnen« – im Gegensatz zu »feministischen Aktivistinnen«, deren transnational verflochtene antimilitaristische Projekte sie untersucht hat – »heute, anders als vor gut 30 Jahren, häufig zögern, bevor sie den Ausdruck Patriarchat ins Spiel bringen« (162).
II. Wenn die Spannungen, unter denen eine Gesellschaft steht, zu groß werden, brechen die Widersprüche aus ihrer Deckung auf. In der heftigen Bewegung werden auch die eingerosteten Positionen aus ihrer Festigkeit gerissen, neue Zusammenschlüsse werden möglich und die Menschen gezwungen, ihre Verhältnisse mit klareren Augen zu sehen – soweit die Dialektik der Geschichte. Manchmal genügt ein Funke.
Dies geschah in der BRD in Reaktion auf die in der Emma mit dem Artikel Frauen ins Militär? (1978, H. 6) der Herausgeberin Alice Schwarzer gestartete Kampagne »Frauen in die Bundeswehr«. Schwarzer hatte damit die durch das Eintrittsverbot von Frauen in die Armee in dieser Frage befriedete Landschaft, in der umstandslos Frauen für den Frieden standen, Männer für den Krieg, in große Unordnung gebracht. Vom Standpunkt einer ›Pazifistin‹, den sie für sich selbst in Anspruch nahm, skandalisierte sie das Verbot als Berufsverbot, fälschlich begründet mit der Natur der Frauen. Damit verschob sie die Problematik der historischen Unterwerfung von Frauen auf einen Krieg der Geschlechter, in dem das Waffenverbot für Frauen das männliche Arsenal der Machtbehauptung gegen das weibliche Geschlecht erweiterte.
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