Mischwirtschaft

A: iqtiṣād muḫtalaṭ. – E: mixed economy. – F: économie mixte. – R: smešannaja ėkonomika. – S: economía mixta. – C: hùnhé jīngjì 混合经济

Jörg Roesler (I.), Bernd Röttger (II.), Thomas Heberer (III.)

HKWM 9/I, 2018, Spalten 1016-1045

I. Paul A. Samuelson fasst M als Ökonomie, in der »sowohl öffentliche als auch private Institutionen ökonomische Kontrolle ausüben« (1980, 37). Wirtschaftspolitisch betrachtet steht M demzufolge für das Neben- bzw. Miteinander heterogener Elemente bei der Steuerung von Volkswirtschaften mit unterschiedlichen Eigentumsformen. Von heterogenen Elementen zu sprechen setzt voraus, dass Mischsysteme in der Wirtschaft nicht als Norm gelten, sondern festgefügte Vorstellungen von ›reinen‹ Wirtschaftssystemen existieren, zu denen jeweils ein bestimmtes Ensemble von Lenkungsmethoden und Eigentumsstrukturen gehört. Kennzeichnend für M ist also die gewollte Abweichung sowohl von Marktregulierung als auch von Plansteuerung der Wirtschaft. Dabei ist eine Mannigfaltigkeit von ökonomischen Steuerungsmethoden und Eigentumsformen möglich bei bewusster Übernahme von Elementen des jeweils anderen Lenkungssystems.

II. Ungeachtet der Differenzierungen innerhalb der entwickelten Kapitalismen wurde die staatlich kodifizierte M im 20. Jh. zu einem wichtigen Bezugspunkt der Strategiedebatten der Arbeiterbewegung. In den eurokommunistischen Diskussionen um historische Kompromisse der 1960er Jahre erreichten sie ihren Höhepunkt – gegen eine Sozialdemokratie, die sich mit der M als Endpunkt der Geschichte kapitalistischer Vergesellschaftung zu begnügen schien. Die neoliberale Restauration und Ausweitung kapitalistischer Herrschaft in der Krise der 1970er Jahre beendete diese Debatten zunächst. Seit der Krise des ›privatisierten‹ Kapitalismus 2007ff und politischen Krisenantworten, die auch die (Teil-)Verstaatlichung bankrotter Banken, die Re-Kommunalisierung lokaler Dienstleistungen usw. umfassten, keimen Diskussionen über M neu auf. Im Mittelpunkt steht nun die Frage, »ob und wie spezifische Elemente einer neuen ›mixed economy‹ dazu beitragen können, solidarische und umweltverträgliche Arbeits- und Lebensformen zu ermöglichen« (Bieling 2009, 50).

III. Sowohl die unternehmerische Privatisierung von unten wie der dadurch ausgelöste sozio-politische Wandel bilden zentrale Elemente eines spezifischen Entwicklungswegs zweier asiatischer Länder, Chinas und Vietnams, von einem planwirtschaftlichen System zu einer etatistischen Marktwirtschaft. Hierbei haben sich seit den 1980er Jahren im Rahmen der jeweiligen staatssozialistischen Systeme M.en mit verschiedenen Eigentumsformen zwischen Staats- und Privatunternehmen herausgebildet. Dabei hat sich der Privatsektor immer mehr zur dominierenden Kraft entwickelt, wobei der Staat die Wirtschaftsentwicklung steuert und, falls nötig, korrigierend eingreift.

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m/mischwirtschaft.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/11 14:33 von christian     Nach oben
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