Existenzialismus
A: wuǧūdīya. – E: existentialism. – F: existentialisme. – R: ėkzistencializm. – S: existencialismo . – C: cunzai zhuyi 存在主义
Wolfgang Fritz Haug
HKWM 3, 1997, Spalten 1116-1131
Der E ging hervor aus der von Martin Heidegger in Absetzung von seinem Lehrer Edmund Husserl in den 1920er Jahren vollzogenen und in Sein und Zeit (1927) zum Durchbruch gekommenen »fundamentalontologischen« Wende der Phänomenologie. Von den Vorläufern ist v.a. Kierkegaard (1813-55) zu nennen, »dessen vielförmiges Werk keine andere Frage hat als diese: was bedeutet es für einen Menschen, als singuläres Individuum zu existieren?« (Clair 1997) Von der Fundamentalontologie heideggerscher Prägung hat sich wiederum der E »durch politisches Engagement abgespalten« (Adorno 1966). – Der Term »E« ist zunächst im Neukantianismus geprägt worden, um die (v.a. von Nietzsche verfochtene) Behauptung einer »Abhängigkeit des Logischen vom Existierenden« zu bezeichnen (Moog 1919, zit.n. Hartmann 1972). Karl Jaspers hat den Term 1935 »als ›Ismus‹ pejorativ zu etwas Deriviertem im Unterschied zu Existenzphilosophie gestempelt« (Hartmann 1972). Bei der Übersetzung in die Nachbarsprachen verschwand dieser Unterschied zwischen dem Echten und seinem Derivat. Raymond Williams spricht von »Existenzphilosophie, which we translate as Existentialism« (1976). Darin, dass diese Übersetzung nicht rückübersetzt, sondern als Neuprägung E ins Deutsche eingeführt worden ist, wirkten wohl ganz unterschiedliche Gründe zusammen: das Bedürfnis nach terminologischer Absetzung von der nazistisch kompromittierten Existenzphilosophie; das entgegengesetzte Bedürfnis nach einer Absetzung vom ›linken‹ französischen E; die Distanzierung Heideggers von Sartre; unbedarfte Übersetzungen.
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