Korporatismus
A: attašārukiya. – E: corporatism. – F: corporatisme. – R: korporativism. – S: corporatismo. – C: fatuanzhuyi 法团主义
Bob Jessop
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1812-1833
K ist ein ausgesprochen vieldeutiger Begriff in der politischen Ökonomie und eines der umstrittensten Konzepte in der politischen Philosophie und Theorie. Als analytischer Begriff verweist K auf ein fortlaufendes, integriertes System der Repräsentation, Formierung und Umsetzung von Politik, das nach den arbeitsteiligen Funktionen der Beteiligten organisiert ist. Die funktionelle bzw. ökonomische Grundlage des K kann zusammenhängen mit der Quelle des Einkommens (Kapital, Lohnarbeit, Grundbesitz), Kapitalfraktionen, Industriezweigen der nationalen Ökonomie, seiner Rolle bei der Teilung von Hand- und Kopfarbeit oder mit Kombinationen dieser Momente; die korporativen Politiken können durch Führer von Verbänden und/oder in Rücksprache mit deren Mitgliedern bestimmt werden; korporative Politik kann direkt durch Verbände umgesetzt und/ oder an ökonomische oder politische Organe delegiert werden; der Staat kann ein aktiver, passiver oder stiller Partner im Aufbau korporatistischer Arrangements sein; der K kann verbunden sein mit anderen Formen der politischen Repräsentation wie Klientelismus, einem Parteien- oder einem pluralistischen Lobbygruppensystem.
K ist als ökonomisches, politisches und ideologisches Phänomen von vielen Seiten diskutiert. Im Kontext des historischen Materialismus wurde es als theoretische Strömung, politische Bewegung, politisches Regime, System industrieller Beziehungen oder als essenziell bürgerliche bzw. kleinbürgerliche Ideologie betrachtet. Ziehen wir andere Ansätze hinzu, gewinnt es an Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit.
Von einem normativen oder strategischen Standpunkt wurde der K – im Rätekommunismus, Syndikalismus, Funktionalen Sozialismus oder Gilden-Sozialismus – in sozialistische Grundsatzprogramme integriert, in sozialdemokratische Programme fand er als konzertierte Aktion zwischen Staat, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, als betriebliche Mitbestimmung und in anderen Formen der Klassenkollaboration Eingang. Der K wurde für eine erste Grundlage organisierter ökonomischer Planung zur Koordinierung der Arbeitsteilung oder einer auch als »Korporativismus« bezeichneten politischen Repräsentationsform gehalten. In diesen unterschiedlichen Bezügen hat K, sei es als untergeordneter oder vorrangiger Aspekt gesellschaftlicher Verhältnisse, formbestimmte Effekte auf die klassenspezifischen Kräfteverhältnisse bzw. die Reproduktion ökonomischer Ausbeutung und politischer Herrschaft. Sie sind wichtige Themen der kritischen Literatur.
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