Kulinarisches

A: fann aṭ-ṭabḫ. – E: culinary. – F: culinaire. - R: kulinarnoe. – S: culinario. – C: pengrenxue 烹饪学

Peter Jehle (I.), Richard Gebhardt (II.)

HKWM 8/I, 2012, Spalten 265-276

I. Das »K«, von lat. culina (Küche), gemeinhin auf die Kunst raffinierter Speisezubereitung bezogen, steht bei Brecht für eine auf den »Kult des Schönen« reduzierte Kunstausübung, die »mit der Abneigung gegen das Lernen und der Verachtung des Nützlichen« einhergeht. Entleert von »allem Wissenswerten«, wird das Theater zum Hort eines »abgeschmackten Kulinarismus geistloser Augen- oder Seelenweiden« (Kl.Organon, GA 23), der nach dem entsprechenden »kulinarischen Kritiker, dem auf ästhetische Reize aller Art fliegenden Genussmenschen« (GA 21), verlangt. Nicht dass Brecht den Genuss abgelehnt hätte. Aber es kommt darauf an, was und unter welchen Bedingungen genossen wird. Immer habe er sich darüber gewundert, lässt Brecht Ziffel in den Flüchtlingsgesprächen sagen, »warum die linken Schriftsteller zum Aufhetzen nicht saftige Beschreibungen von den Genüssen anfertigen, die man hat, wenn man hat« (GW 14). Wo die Tugend des Opfersinns gepredigt wird, würde »eine einfache Beschreibung der Käsesorten, fasslich und anschaulich geschrieben, […] unbedingt bildend wirken« (ebd.). Kurz, »Genusssucht« ist »eine der größten Tugenden« (…). Denn warum sollte man kämpfen, »wenn man nicht nach Genuss strebt« (Me-ti, GW 12)? Alles schlucken zu müssen, ist die Mitgift von Zuständen, »in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes […] Wesen ist« (Marx). Nicht unterschiedslos alles essen, nicht jeden Job annehmen zu müssen – wer das genussvolle Leben verwirklichen will, muss das »K« bekämpfen.

Armut/Reichtum, Ästhetik, Bedürfnis, dialektisches Theater, eingreifendes Denken, Essen, falsche Bedürfnisse, Fourierismus, freie Liebe, Gebrauchswertversprechen, Genuss, Hedonismus, Köchin, Kommune, Konsumgesellschaft, Konsumnorm/Konsumweise, Konsumtion, Kunst, Kunstverhältnisse, Kunstwerk, Liebe, Politik des Kulturellen, Schlaraffenland, Sinnlichkeit, Theater, Utopie, utopischer Sozialismus, Widerstand

II. Politik des K. – Nicht nur im übertragenen, auch im Wortsinn berührt das K Grundsatzfragen linker Politik. Wie muss eine globalisierungskritische Bewegung agieren, die sich der herrschenden Produktionsweise der Lebensmittel widersetzt? Gehen von der Gourmetküche Impulse für die Demokratisierung der Genussfähigkeit aus? Generell: Welche Facetten des K sind für eine materialistische Kultur- und Gesellschaftskritik von Interesse?

Bauern, Bedürfnis, Entfremdung, Essen, Fourierismus, Genuss, Globalisierungskritik, Habitus, Hedonismus, Köchin, Konsumgesellschaft, Konsumismus, Kulturelle Nachhaltigkeit, Kulturimperialismus, Lebensweise/Lebensbedingungen, nachhaltige Entwicklung, Neue Soziale Bewegungen, Ökologie, Region, Schlaraffenland, Sinnlichkeit, Stadt/Land, Tradition, ungleicher Tausch

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